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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Tür abgestellt hatte.
    »Ein Teil. Einen weiteren Karton und einige Ordner mit Fotos habe ich noch im Wagen. Und das, nachdem ich alles sorgfältig gesichtet habe.«
    »Besser Sie als ich. Sollen wir es holen?«
    Carol stand auf. »Fangen Sie doch schon mit der Durchsicht an, ich gehe und bringe den Rest rein.«
    »Ich möchte mir als erstes die Fotos anschauen, also kann ich genausogut mitkommen und Ihnen helfen.«
    »Danke«, sagte Carol.
    Im Aufzug standen sie sich gegenüber, und jeder war sich der Gegenwart des anderen sehr bewußt. »Sie haben keinen Bradfield-Akzent«, sagte Tony, als die Türen zuglitten. Wenn er erfolgreich mit Carol Jordan zusammenarbeiten wollte, mußte er mehr über sie wissen, persönlich und beruflich, und je mehr er über sie herausfinden konnte, um so besser.
    »Haben Sie nicht eben erklärt, Sie überlassen uns die Detektivarbeit?«
    »Wir Psychologen sind gut darin, das Offensichtliche festzustellen. Sagen das nicht auch unsere Kritiker bei der Polizei?«
    »Touché. Ich bin aus Warwick, dann Universität in Manchester und danach ab nach London zur Polizei. Und Sie? Ich bin nicht gut im Erkennen von Akzenten, aber bei Ihnen höre ich raus, daß Sie aus Nordengland stammen, wenn auch anscheinend nicht aus Bradfield.«
    »Geboren und aufgewachsen in Halifax, Universität London, promoviert in Oxford, acht Jahre Tätigkeit in Spezialkliniken. Vor achtzehn Monaten hat mich das Innenministerium zur Erarbeitung dieser Realisierbarkeitsstudie angeheuert.« Gib ein kleines bißchen, um viel zu bekommen, dachte Tony sarkastisch. Wer wollte hier eigentlich wen aushorchen?
    »Wir sind also beide keine Einheimischen«, stellte Carol fest.
    »Vielleicht hat John Brandon Sie deshalb als Verbindungsbeamtin ausgesucht.«
    Die Türen des Aufzugs öffneten sich, und sie gingen durch die Tiefgarage zu den Parkplätzen für Besucher, wo Carol ihren Wagen abgestellt hatte. Tony hob den Karton aus dem Kofferraum. »Sie müssen physisch stärker sein, als Sie aussehen«, keuchte er.
    Carol klemmte den Ordner mit den Fotos unter den Arm und grinste. »Und außerdem habe ich den schwarzen Judo-Gürtel. Hören Sie, Tony, wenn dieser Irre aus unseren Reihen kommt, was erwarten Sie dann bei ihm zu finden?«
    »Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich bin den Fakten vorausgeeilt, und ich möchte nicht, daß sie dem irgendeine Bedeutung beim essen, okay? Streichen Sie es aus dem Protokoll.«
    »Okay, aber welche Anzeichen würden auf ihn hindeuten?« fragte sie beharrlich.
    Sie waren wieder im Aufzug, als Tony antwortete: »Sein Verhalten, das auf intensive Kenntnisse der polizeilichen Vorgehensweise und der modernen forensischen Techniken schließen läßt. Aber das beweist nicht viel. Es gibt heutzutage einen Haufen Bücher über ›echte Kriminalfälle‹ und Fernsehfilme mit der Darstellung der Arbeitsweise der Polizei, so daß jedermann dieses Wissen haben könnte. Hören Sie, Carol, ich bitte Sie nochmals, streichen Sie das aus Ihrem Gedächtnis. Wir müssen flexibel bleiben, sonst kommt bei unserer Arbeit nichts raus.«
    Carol seufzte leise. »Okay. Aber ich bitte Sie, es mir zu sagen, wenn Sie nach Prüfung des vorliegenden Beweismaterials noch immer einen Verdacht in dieser Richtung haben. Denn wenn es mehr als eine vage Vermutung ist, müssen wir unseren Ansatz bei den Ermittlungen überdenken.«
    »Das verspreche ich.« Die Aufzugtüren glitten auf, als ob sie ein Zeichen zum Abbruch des Gesprächs geben wollten.
    Zurück im Büro, nahm Tony den ersten Satz Fotografien aus dem Ordner.
    »Ehe Sie anfangen – würden Sie mir sagen, wie Sie sich den Ablauf vorstellen?« fragte Carol mit gezücktem Bleistift und dem Notizheft auf dem Schoß.
    »Ich sehe mir zuerst die Fotos an, dann bitte ich Sie, mich mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen vertraut zu machen. Wenn wir das hinter uns haben, arbeite ich die Unterlagen durch. Danach gehe ich wie üblich vor und skizziere ein Profil von jedem der Opfer. Anschließend setzen wir uns wieder zusammen und beschäftigen uns hiermit.« Er wedelte mit einem Bündel seiner Formulare vor ihrem Gesicht. »Und zuletzt mache ich den Balanceakt auf dem Drahtseil und erstelle das Protokoll des Täters. Klingt dieser Ablauf für Sie plausibel?«
    »Ja, klingt gut. Und wie lange wird das alles dauern?«
    Tony runzelte die Stirn. »Schwer zu sagen. Bestimmt ein paar Tage. Doch Handy Andy scheint ja in einem Achtwochentakt zu morden, und es gibt bisher keine Anzeichen

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