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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aber sie konnte sich allmählich ein Bild machen, wie es auf dem Gut zuging. Offenbar hatte man Gäste, die gerne zur Jagd gingen. Ein Wildschwein wurde in den Vorratsraum geschleppt, mehrere Fasane mussten gerupft werden. Frau Julena war nicht sehr gesprächig, sie verließ die Küche bald, um anderen Aufgaben nachzugehen. Aber die Alte, die in der Ecke saß und im Mörser alles zerkleinerte, was man ihr zu zerkleinern vorgab, die schwatzte gern, stellte Lore fest. Mandeln, Kräuter, Hühnerfleisch und getrocknete Pilze verarbeitete die Frau, und Lore sah zu, dass sie näher und näher an sie heranrücken konnte. Von ihr endlich erfuhr sie auch von dem weiblichen Gast, der krank in der Kemenate der Hausherrin lag und nicht an den Lustbarkeiten der Herrschaften und der anderen Gäste teilnehmen konnte. Schwermütig sei das Weib, hieß es. Und die wohledle Dame selbst kümmere sich um sie. Lore fragte die Alte auch nach den anderen Gästen und erfuhr, dass drei Freunde des Herrn vor einigen Tagen eingetroffen seien, ein weiterer am Vortag abgereist sei und am heutigen Tag ein geistlicher Herr erwartet wurde.
    Um die Mittagszeit trugen die Mägde Platten mit Schüsseln und Körbe mit Brot in die Gemächer der Herrschaften, und das Gesinde versammelte sich um den langen Tisch, um ebenfalls zu essen. Hierbei erlauschte Lore, dass von den anwesenden Männern vier als bewaffnete Wachen Dienst taten, zwei Burschen sich um die Pferde kümmerten und die anderen grobe Arbeiten zu verrichten hatten. Die Mägde hielten das Haus rein, machten die Wäsche und richteten das Essen. Jene, die sich am Morgen die Hand verbrannt hatte, aber dünkte sich etwas Besseres, sie wartete der Herrin auf. Weshalb sie den Platz neben der Schaffnerin innehatte.
    Nach dem Essen gab es den Abwasch und Putzarbeiten, und als die Küche aufgeräumt war und Frau Julena beim besten Willen nichts mehr einfiel, was zu erledigen war, schlenderte Lore über den Hof, um sich mit dem Gebäude vertraut zu machen. Das Haupthaus hatte zwei Stockwerke und ein mit Schiefer gedecktes Dach, der Turm überragte dieses Dach mit einem weiteren Stockwerk. Die Alte hatte verraten, dass die Kemenate der Herrin dort oben sei, also befand die Frau Herrin Alyss sich bestimmt dort. Wie gelangte man in den Turm?
    Während Lore sinnend zu den Fenstern aufschaute, trat ein Mann in Jagdkleidung aus der Tür des Herrschaftshauses und befahl herrisch, man möge ihm sein Pferd bringen. Das war vermutlich der Herr des Anwesens. Lore ging zum Brunnen und beschäftigte sich mit der Winde, bis das Ross von einem der Burschen gebracht wurde, der Herr aufgestiegen und aus dem Tor geritten war. Währenddessen war ihr eine Idee gekommen. Sie eilte zur Küche zurück und griff nach einem der Zinnkrüge. Mit ihm in der Hand würde sie geschäftig aussehen. Sie ging zügig zum Haus zurück und trat durch die Tür. Eine Diele tat sich auf, eine breite Treppe führte nach oben, ein Gang nach rechts und links öffnete sich zu den Räumen im unteren Bereich. Sie nahm die Treppe, um zu sehen, ob man von der nächsten Ebene irgendwie in den Turm gelangte. Auch hier gab es einen Gang, der nach rechts düster wirkte und in dem ein großer, geschnitzter Schrank stand. Nach links war der Gang heller, denn vom Ende her fiel Licht durch ein Fenster. Lore wählte den und stand gleich darauf wieder vor einer Tür. Sie ließ sich öffnen, und helles Mittagslicht blendete ihre Augen.
    »Bringst du mir einen Schoppen?«, fragte eine helle Stimme, und sie zuckte zusammen. Dann erkannte sie einen jungen Burschen, der eine Reihe Stiefel neben sich stehen hatte und einen davon gerade mit einer Bürste bearbeitete.
    »Nö. Keinen Schoppen. Der ist für die Frau Herrin. Aber … äh … ich bin neu hier. Was ist das hier?«
    Sie trat an den Rand der von einem Holzdach bedeckten Mauer und spähte über die Steine. Darunter schimmerte das Wasser des Grabens, der das ganze Gut umgab.
    »Das ist der Wehrgang«, erklärte ihr der Bursche und grinste sie an. »Bisschen übertrieben, eine richtige Burg ist das hier nicht. Aber zum Stiefelputzen komm ich gerne her.«
    Der Wehrgang endete am Torhaus, und von dort kamen gerade zwei Wagen in den Hof gerollt. Knechte schlenderten darauf zu, um die Fässer und Säcke abzuladen, Frau Julena gab ihnen Anweisungen, wohin sie gebracht werden sollten. Es war wohl besser, nicht zu viel Zeit zu verplempern. Auch wenn es lustig war, von hier oben zuzuschauen. Den Burschen konnte sie

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