Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Heimweg machten. Nicht ohne von Kilian Pankratius zu ihrer nächsten Versammlung in einer Woche eingeladen worden zu sein.
KAPITEL 14
N ach einer unruhigen Nacht, aus der sie schluchzend erwachte, fühlte sich Anna am folgenden Morgen wie gerädert. Im Traum hatte Martin ihre Tränen verhöhnt. Sie hätte doch nicht wirklich daran geglaubt, dass er auf sie warten würde? Während er noch lachte, hatte er seine Frau an sich gezogen und Anna mit blitzenden Augen nachgerufen, wie viel schöner und wohlhabender seine Therese war. Ihre Kehle war noch immer wie zugeschnürt. Vielleicht war an dem Albtraum sogar ein Funken Wahrheit dran, und Onkel Gerald hatte Martin nicht lange überreden müssen, seine ursprünglichen Heiratspläne zu verwerfen?
Noch lange Zeit saß sie auf dem Bett und starrte ins Nichts. Wie hatte es geschehen können, dass er bereits nach wenigen Monaten wortbrüchig geworden war? Wie konnte er sie aufrichtig geliebt haben, wenn er seine Gefühle für sie wie schmutzige Kleidung einfach abwarf, um sich einer anderen zuzuwenden? Annas Augen füllten sich erneut mit Tränen, doch sie blinzelte sie energisch fort. Er verdiente sie nicht. Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, blickte sie im Raum umher. Auf dem Hocker neben ihrem Bett fand sie ein einfaches, aber reichhaltiges Frühstück vor. Dietl musste den Gemüsebrei und den Becher Milch hineingestellt haben, während sie geschlafen hatte. Auch an eine Waschschüssel, etwas Seife, ein frisches Tuch und einen Kamm hatte er gedacht. Hastig legte sie ihre verschmutzte Kleidung ab, wusch und kämmte sich sorgfältig.
Es klopfte. Rasch hüllte sie sich notdürftig in das Tuch und wartete. Nichts geschah. Mit nackten Füßen schlich sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Auf dem Fußboden lag ein Bündel. Anna sah sich um und nahm es an sich. Der Stoffhaufen entpuppte sich als ein schlichtes Baumwollkleid mit einer Schürze. Darin eingewickelt fand sie Leibwäsche und ein zartblaues Haarband. Sie riss die Augen auf und begutachtete die Sachen. Das Kleid war ihr ein wenig zu kurz, aber das kümmerte sie nicht.
Anna verließ die Kammer und schaute sich in dem Gang um. Im Licht, das durch eines der kleinen, farbigen Fenster hereinfiel, tanzten Staubkörnchen. Von dem Hausherrn war nichts zu hören oder zu sehen, deshalb folgte sie dem eigenartigen Geruch, den sie schon am Vortag wahrgenommen hatte. Als sie sich vor einer alten Tür wiederfand, wurde er intensiver, und sie drückte die Klinke herunter. Offensichtlich befand sie sich in Dietls Werkstatt. Eine Bank aus dicken Holzbalken, auf dem sich Berge von in Leder gebundenen Büchern stapelten, daneben erkannte sie Gefäße mit Federkielen und allerlei Behälter mit Tinten, die im Morgenlicht in allen Farbschattierungen leuchteten. Weitere Gegenstände, die wie die Zähne eines Tieres wirkten, waren wahllos auf dem Tisch verstreut. Mit geweiteten Augen betrachtete Anna das heillose Durcheinander. Farbe, daher also der Geruch. Das Rascheln von Pergament, dann sah sie zwischen den Büchern blondes Haar hervorblitzen.
» Ach, du bist es. Anna. Wie ich sehe, hast du alles gefunden « , murmelte Korbinian Dietl. » Ich dachte mir, dass dir das Kleid passt. Es hat meiner verstorbenen Frau gehört. « Schon beugte er sich wieder über eins der Bücher. Auf seiner Brille waren bunte Farbtupfer zu erkennen, ebenso in seinem Haar.
Sie trat von einem Fuß auf den anderen. » Danke für das gute Essen und die Kleidung. Das war sehr freundlich von Euch. Ich werde dann mal … «
» Warte! « Er wischte die Hände an einem Tuch ab und erhob sich mit einem Seufzen. » Wenn du … ich meine … wenn Ihr nichts weiter vorhabt … Ihr sagtet doch gestern, Ihr seid bereit, zu arbeiten, nicht wahr? « Mit dem Kopf wies er neben sich. » Magdalena, meine Tochter, sie wird gewiss gleich wach und hungrig sein. Dabei habe ich ein wichtiges Werk fertigzustellen, meine Auftraggeber wollen das Buch bereits Ende des Monats abholen. Ich weiß mir offen gesagt keinen Rat, wie ich das alles allein bewerkstelligen soll. Könntet Ihr mir vielleicht helfen? Selbstverständlich werde ich Euch dafür bezahlen. «
Anna trat näher, überrascht von der neuen, respektvollen Anrede. Hinter seinem Hocker konnte sie eine Holzwiege ausmachen, in der ein winziges, strampelndes Kind lag, den Daumen nahezu vollständig im Mund verschwunden. Sie warf dem Hausherrn einen erstaunten Seitenblick zu.
» Wenn sie schläft, stelle ich die
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