Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Euch « , murmelte sie und erhob sich.
Als Korbinian Dietl am Abend Annas Kammer betrat, um nach dem Kind zu sehen, wandte sie sich um und bedeutete ihm, still zu sein. Sie gingen beide hinaus.
» Ich habe sie gewaschen und frisch angezogen. Mit etwas Glück schläft sie bis zum Morgen durch « , erklärte sie im Flüsterton.
» Vielen Dank, Anna. Wie es aussieht, habt Ihr Euch gut um Magdalena gekümmert. « Er zögerte. » Können wir uns unterhalten? «
» Ja, natürlich. «
Sie folgte dem Mann, der zwei Köpfe größer war als sie selbst, in den angrenzenden, spärlich eingerichteten Wohnraum. Ihre Finger waren klamm.
Dietl deutete auf einen alten, aber gemütlich wirkenden Lehnstuhl, und sie nahm ihm gegenüber Platz. Er fasste in die Tasche seines Kittels, zog eine Pfeife und einen Beutel heraus und stopfte etwas von dem Inhalt in den Pfeifenkopf.
» Ich möchte nicht unhöflich oder neugierig erscheinen. Doch wie eine dieser Bettlerinnen, die in der Stadt herumlungern, habt Ihr nicht auf mich gewirkt. Könntet Ihr mir bitte erzählen, was Ihr vor meinem Haus zu suchen hattet? «
Während er die Kräuter mithilfe eines Feuersteins und eines Schlageisens entzündete, schluckte sie und schaute zu Boden.
» Ich bin aus dem Heilig-Kreuz-Kloster geflohen. « Ihre Ohren glühten. » Niemand darf wissen … dass ich hier bin, sonst … «
» Sonst was? «
Anna hob den Kopf. Offen war sein Blick und ohne Arg. Wie konnte sie ihn belügen, einen Fremden, der sie in sein Haus gebracht hatte? Korbinian lehnte sich zurück, kleine Rauchkringel stiegen auf und würziger Duft erfüllte kurz darauf den Raum.
Sie holte tief Luft und erzählte ihm die ganze Wahrheit. » Sonst bringen sie mich ins Kloster zurück. Dabei will ich nie wieder dorthin. Außerdem muss ich meinen Bruder Sebastian finden « , endete sie mit erstickter Stimme.
» Ich verstehe. Deshalb seid Ihr also auf der Suche nach Arbeit und einer Unterkunft. «
Anna biss sich auf die Unterlippe und nickte.
» Vielleicht finden wir ja einen Weg, der uns beiden dienlich ist? «
» Wie meint Ihr das? «
» Na ja, du … Ihr braucht ein Bett zum Schlafen und eine Arbeit, während ich seit geraumer Zeit nach einem ehrlichen Hausmädchen suche, das sich auch um mein Kind kümmert. Nach dem Tod meiner Frau hatte ich eine Amme für Lenchen eingestellt. Leider hat sie vor einigen Wochen gekündigt, weil sie selbst wieder ein Kind erwartet. «
» Das tut mir leid, Herr Dietl. «
» Schon gut. Reich bin ich nicht, aber es genügt, um Eure Dienste zu bezahlen. Könntet Ihr auch das Kochen übernehmen? «
» Wenn Ihr es wünscht, Herr Dietl. «
» Gut. Während der Nachmittagsstunden könntet Ihr nach Eurem Bruder suchen, ich nehme Magdalena derweil mit in die Werkstatt. «
Freude wallte in ihr auf. » Das ist sehr großzügig, Herr Dietl. «
» Nein, reinweg Eigennutz. Für eine kleine Weile könnte später auch Euer Bruder in meinem Haus bleiben. Auf Dauer wäre es aber sicher zu eng. «
Anna dankte ihm heiser. Danach besprachen sie noch die Einzelheiten und wurden sich rasch einig. Für ihre Arbeit sollte sie die Kammer und zwei Nürnberger Pfennige bekommen.
» Noch etwas, Anna « , Dietls Blick wanderte aus dem Fenster. » Ich bin ein ehrbarer Mann und kann es mir nicht leisten, meinen guten Ruf einzubüßen. Gebt also acht, damit Ihr von niemandem erkannt werdet, hört Ihr? « Die Hände in den Taschen seines Kittels vergraben, sah er sie mit ernster Miene an. » Das wird nicht einfach werden. Am besten, Ihr verändert Euer Aussehen. Schon öfter habe ich Kunde darüber erhalten, wie gründlich die Nonnen nach entflohenen Schützlingen zu suchen pflegen. «
Anna nickte. » Ich passe auf. Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Eines Tages werde ich es Euch vergelten, Herr Dietl. «
KAPITEL 15
E inige Tage, nachdem der Buchmaler sie aufgenommen hatte, kürzte sich Anna die dunkelblonden Haare bis zu den Schultern und färbte sie mit einem Brei aus geriebenen Granatäpfeln, Walnussschalen, Gallapfelpulver und Alaun in einem tiefen Braun. Die Zutaten hatte sie sich von Herrn Dietl erbeten. Sogar er musste zweimal hinschauen, als sie ihm gegenübertrat.
Der Gedanke an Sebastian ließ ihr keine Ruhe. Er musste ja glauben, dass sie sich noch im Heilig-Kreuz-Kloster aufhielt. Morgen wollte sie es zum ersten Mal seit ihrer Flucht wagen, Dietls Haus zu verlassen. Würde es ihr gelingen, den Spähern des Klosters, die dafür Sorge zu tragen hatten, dass ihnen
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