Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
meinen Dank und weiterhin gute Besserung aus. «
» Das mache ich gern. « Die Frau des Malers ergriff Annas ausgestreckte Hand. Ein warmes Lächeln umspielte ihre Lippen. » Versprecht mir, zu uns zu kommen, wann immer Ihr Hilfe braucht. «
Anna dankte ihr und schob das Geschenk in ihr Bündel. Sie hob Lenchen auf, kleidete sie an und eilte nach Hause.
Sebastian schürte gerade das Feuer, als sie die Küche betrat. » Na, wie ist es gelaufen? « , erkundigte er sich und musterte sie aufmerksam. Was sich in ihrem Bündel befand, wollte sie ihm erst später zeigen. » Ich habe den Eindruck, Frau Dürer ist die Angelegenheit äußerst unangenehm « , erklärte sie stattdessen. » Ständig versucht sie, das Verhalten ihres Mannes zu entschuldigen. Er scheint ein schwieriger Charakter zu sein. «
» Du hast ihm noch nicht verziehen, oder? «
» Der Fehler lag bei mir. Vielleicht habe ich zu viel von Meister Dürer erwartet, Sebastian. «
» Er hätte deinen Namen nicht fallen lassen dürfen. Er müsste wissen, dass du ihn nicht bestiehlst « , widersprach er finster.
» Tatsächlich? « Anna setzte das Kind ab. » Meisterliche Künstler wie Herr Dürer haben es mit vielen Neidern und Schmarotzern zu tun. Woher soll er wissen, wem er wirklich trauen kann, zumal wir uns erst seit kurzer Zeit kennen? Außerdem hat er auch viele liebenswürdige Seiten. «
» Ich verstehe dich nicht, Anna. Bist du denn nicht wütend auf ihn? «
» Nicht mehr. Lass es gut sein, Brüderchen. Die Dürers haben sich entschuldigt. Was wissen die beiden schon, wie es ist, in einer engen Zelle auszuharren und wie eine Verbrecherin behandelt zu werden. «
» Wie auch immer. Du bist unschuldig und wieder zu Hause. Nur das zählt, oder? « Sebastian drückte ihre Hand.
Ihr Herz machte einen freudigen Satz, als sie die strahlenden Gesichter ihrer kleinen Familie betrachtete und das Kind die Arme nach ihr ausstreckte. Wie unglücklich auch die letzten Tage gewesen waren, an diesem Abend würde sie mit Magdalena und Sebastian vor dem knisternden Kaminfeuer sitzen. Bald schon würde sie mit ihnen Weihnachten feiern können, und das war mehr, als sie sich die letzten Tage hatte erhoffen dürfen.
Sebastian war zeitig aufgestanden und hatte dem Feuer im Kamin neues Leben eingehaucht, als Anna am nächsten Morgen die Stube betrat. Ihr Bruder saß in Korbinians Lieblingsstuhl. Auf dem kleinen Holztischchen lag die Pfeife, die ihr Mann sich hier gern gestopft hatte, wenn sie am Abend beisammensaßen, um den Tag mit einem Plausch und einem Becher Wein ausklingen zu lassen. Wieder verspürte sie die Leere, die er in ihr hinterlassen hatte.
Sebastian erhob sich, schob den Stuhl etwas näher an die Feuerstelle und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. » Setz dich nah ans Feuer. «
Sie schüttelte den Kopf. » Ich muss das Frühmahl bereiten. «
» Ist längst fertig « , entgegnete er grinsend. » Ich bin schon seit einer Stunde wach. Lenchen schläft noch tief und selig. Ich hab gerade nachgesehen. « Er fasste nach seinem Bündel, in dem er seine wenigen Sachen verwahrt hatte, als er zu ihr gezogen war. » Setz dich und mach die Augen zu. «
Anna gehorchte und lauschte auf Geräusche, die ihr verraten könnten, was ihr Bruder ihr verheimlichte. Aber bis auf seinen Atem und das Knacken eines Holzscheits im Kamin blieb es still.
» Du kannst die Augen wieder öffnen. «
Sie tat es. In Sebastians ausgestreckter Hand lag ein dunkelbrauner Kamm.
» Den habe ich aus einem Stück Hirschgeweih geschnitzt. «
Staunend betrachtete Anna den mit einem Blumenmuster verzierten Gegenstand aus poliertem Horn.
» Ich hab ihn gestern gemacht. Gefällt er dir? «
Sie ergriff den Kamm. » Sehr, vielen Dank. «
» Hab zwei davon geschnitzt « , meinte Sebastian. » Der andere ist für Barbara. Ich werde ihn ihr morgen vorbeibringen. «
» Da wird sie sich bestimmt freuen. Du hast viel bei Meister Stöckl gelernt. «
Ein Schatten flog über sein Gesicht, und sie erinnerte sich, wie abfällig der Beinschnitzer über den Bruder gesprochen hatte. Plötzlich fiel Anna das Geschenk der Dürers wieder ein. Sie erhob sich und ging zum Stubenschrank, in den sie das zusammengerollte und in Leinen verpackte Bild am Abend gelegt hatte.
Sebastians Stirn umwölkte sich. » Was ist das? «
» Die Dürerin hat es mir gegeben. Es ist von ihrem Mann. « Anna zog an dem roten Wollfaden und entrollte das Blatt. » Wie hübsch « , entfuhr es ihr.
Die Tuschezeichnung zeigte drei
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