Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
fordern? Nein, liebe Anna, so ist es schon recht. «
Abermals erkannte sie die Hingabe, mit der Frau Dürer über ihren Gatten sprach, ihre Stimme wurde dann ebenso weich wie die sonst eher groben Züge. Ob Herr Dürer ebenfalls echte Zuneigung für seine Gemahlin empfand? Die Hausherrin zwinkerte Lenchen zu, die sich inzwischen auf den Rücken gerollt hatte, mit den Beinen in der Luft strampelte und sichtlich Freude über die Bewegungsfreiheit zeigte.
» Ich würde gerne auch Eurem Mann meine Unschuld versichern. «
Agnes Dürer griff zur Glocke und klingelte nach der Magd, die alsbald erschien. » Bring uns einen Krug Wein und zwei Gläser, Gertrudt. « Die Frau des Malers wartete, bis sich die Tür hinter der jungen Frau geschlossen hatte. » Leider kann mein Mann Euch nicht empfangen, unglücklicherweise liegt er seit einigen Tagen mit Fieber danieder. Auch plagt ihn seit unserer Reise durch die Niederlande immer öfter die Melancholia. Zu viel schwarze Galle im Leib, Ihr versteht? « Frau Dürer seufzte. » Sein Medicus und der Apotheker müssen im letzten Jahr ein kleines Vermögen an meinem Albrecht verdient haben. «
Gertrudt betrat den Raum, in den Händen ein Tablett mit farbigen Gläsern und einem Krug, in dem roter Wein schimmerte. Frau Dürer entließ die Magd mit einem Wink und übernahm es selbst, die Gläser zu füllen, ehe sie eins an ihren Gast weiterreichte.
» Lasst uns anstoßen. Auf die Freiheit und die Gerechtigkeit, die letztlich siegen muss! «
Die Gläser klangen wohltönend aneinander, und Anna nahm einen vorsichtigen Schluck von dem tiefroten Wein, der süß und fruchtig schmeckte.
» Möge der Dieb schnell gefunden werden « , setzte die Hausherrin das Gespräch fort. » Nicht nur, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen, sondern vor allem, damit mein Albrecht sein neues Werk zurückerhält. Seine größte Sorge ist, dass es bereits aus Nürnberg fortgeschafft und verkauft worden ist. «
Nur Lenchens fröhliches Gebrabbel unterbrach die Stille, die auf die Worte der Dürerin folgte. Vor ihrem inneren Auge sah Anna jenes Werk des Meisters vor sich, es war die Gestalt des nackten Heilands am Kreuz, der die Züge des Malers trug. Ja, dieses Bild hatte ihr missfallen, in ihren Augen war es nichts als Gotteslästerung und mehr als unpassend, denn was sollte Meister Dürer mit dem Leiden Jesu zu schaffen haben? War der Diebstahl ausgerechnet dieses Gemäldes reiner Zufall – oder gab es jemanden, der ebenso empfand wie sie und es deshalb entwendet hatte?
» Ihr schweigt, Anna? « , unterbrach Frau Dürer ihre Gedanken.
» Ich frage mich nur, wie der Dieb in Euer Haus gelangt sein könnte? «
Lenchen hatte sich inzwischen auf die Seite gerollt und spielte mit ihren Fingern.
Die Ältere wiegte den Kopf. » Das ist uns allerdings auch ein Rätsel, meine Liebe. Die Werkstatttür war nämlich unversehrt, und es wurde auch kein Fenster eingeschlagen. «
Annas Blick verlor sich in der Ferne. » Was nur bedeuten kann, dass der Täter unter Euren Angestellten zu suchen ist. «
Frau Dürer hob die Hände. » Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Anna. «
» Wie Ihr meint « , antwortete diese. » Hoffentlich wird der Dieb bald gefunden, damit der Verdacht völlig von mir genommen wird. «
Die Hausherrin beugte sich zu dem Kind auf der Wolldecke und reichte ihm einen ledernen Spielzeugball, den die Kleine sogleich in den Mund zu stecken versuchte .
» Sie bekommt einen neuen Zahn und nimmt einfach alles in den Mund « , fühlte Anna sich bemüßigt, erklären zu müssen, aber die Gastgeberin winkte ab.
Anna kehrte mit ihren Gedanken zu den Ereignissen der letzten Zeit zurück und stand auf.
» Frau Dürer, gestattet mir, mich zu verabschieden, Magdalena ist müde, außerdem werde ich erwartet. «
» Wo habe ich denn nur meine Gedanken? « , rief die Ältere unvermittelt aus und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. » Albrecht hat mir etwas für Euch übergeben, damit Ihr seht, dass seine Entschuldigung kein bloßes Lippenbekenntnis ist. Wartet einen Moment! « Sie lief aus dem Raum, um kurz darauf mit einer Rolle in der Hand zurückzukehren.
» Mein Gemahl hat es erst kürzlich fertiggestellt. Es soll Eure Stube schmücken. Bitte zögert nicht, es zu verkaufen, wenn es nötig sein sollte. «
Verblüfft griff Anna nach dem Bild, das zum Schutz in ein Stück Leinen eingeschlagen und mit einem Wollfaden zusammengehalten war. » Bitte richtet Eurem Gatten
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