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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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behände durch eine Doppelschwingtür. Robert träumte sich in den Park hinaus, bewunderte die unaufdringlich arrangierten Lichter, die zwischen knorrigen Bäumen, Felsen und Wasserspielen eine märchenhafte Landschaft bildeten.
    »Aus dem Weg, ihr Zwiebeläffchen und Kartoffelköppe, aus der Bahn, sage ich!« Diese polternde Stimme kannte Robert nur zu gut, er zählte innerlich bis drei, dann stand er vorsichtshalber vom Tisch auf, denn gleich würde ein Berg aus guter Laune über ihn hinwegrollen.
    Die Schwingtüren donnerten auf, so kräftig, dass einige Gäste erschrocken innehielten, Gabeln schwebten in der Luft, Weingläser verharrten auf dem Weg zu durstigen Lippen. Ein großer Mann, der eine weiße, gepuffte Kochmütze mit fünf glänzenden Sternen darauf trug, hob die Arme wie ein Adler, der sein Junges sieht und grinste so breit, dass sich sein Backenbart hob.
    »Robert! Der kleine Robert!» Chefkoch Zoltan Zoitic schlang die Pranken um ihn, dass ihm die Luft wegblieb.
    »Oder muss ich jetzt Lord Humberstone sagen?«, fügte er flüsternd hinzu, während er Robert wie Teigmasse zusammenquetschte.
    »Für dich immer nur Robert, das weißt du doch«, quiekte der Lord und befreite sich mühsam aus der Umklammerung.
    »Lass dich ansehen, Jung. Ahh, groß bist du geworden. Breite Schultern hat er bekommen und ein Gesicht wie ein Fürst aus den Karpaten.« Er schaute auf Roberts linken Arm, sein Lächeln verflog nicht eine Sekunde. Wahrscheinlich hatte ein Brief von Großvater Lawrence ihn darauf vorbereitet, denn es lag keine Unsicherheit in seinen Augen.
    »Hat alles mit dem Gepäck geklappt?« Zoltan machte die Augen schmal, als wolle er, wenn nicht, bittere Rache nehmen.
    »Ja, ich danke dir sehr dafür.« Der Koch winkte ab.
    »Wir plaudern später weiter, ja? Jetzt mache ich dir erst einmal eine Süßigkeit, dass die Götter neidisch werden.« Sagte es und rauschte Richtung Küche, wobei er schon Beleidigungen brüllte, bevor er überhaupt die Tür erreicht hatte. Ein feiner Kerl.
    Robert bekam flambierte Früchte, die von einer Mousse au Chocolat ummantelt waren, auf deren Wellen kleine Schiffe aus hart gewordenem Karamell segelten. Die Götter hätten geweint.
    Später stand er auf dem Balkon seines Zimmers, dreißig Schritt weit von der Odinstochter entfernt - er hatte beim Nachmessen extra große Schritte gemacht - schaute auf seine Taschenuhr, klappte sie zusammen und steckte sich einen Zigarillo an. Einen Vorteil hatte diese Qualmerei, einen ganz praktischen sogar. Als der Qualm träge in der Nachtluft trieb, kräuselte sich erst einer, dann ein zweiter Rauchfaden daraus hervor, die sich jeder Windrichtung widersetzten. Sie schwebten herbei, waren kaum zu unterscheiden von dem des Tabaks. Sie zogen hinter dem paffenden Robert her in das Arbeitszimmer, wo er sich auf einem pompösen Stuhl mit hoher Rückenlehne vor einem ebenso prächtigen Schreibtisch niederließ. Aus dem einen Rauchfaden lugten bereits Federn hervor, der andere schien unruhig zu sein. Als erster materialisierte sich Taris. Der Wanderfalke nahm Gestalt an und ließ sich elegant auf dem Schwenkarm der Pulverlampe nieder, die sanftes Licht verströmte. Der zweite Rauchfaden hing unter der stuckbesetzten Decke und rührte sich nicht mehr, doch Robert glaubte, ein Funkeln darin zu sehen. Robert schnippte Asche in eine Schale aus Glas.
    »Hallo, Taris.« Er hob den Blick an die Decke. »Schmollt Skee noch immer?« Der Falke schüttelte kurz die Schwanzfedern aus, was, wie Robert wusste, eine das-ist-mir-herzlich-egal Geste darstellen sollte. Das Bemerkenswerte an Taris war, dass er zwei Prothesen hatte, ganz ähnlich jener, welche Robert selbst trug. Ein Bein war durch mechanische Krallen ersetzt worden, ein grandioses Werk seines Großvaters, doch die zweite war von Robert gebaut worden. Der Vogel hatte nach einem Unfall fast die ganze Sehkraft seines rechten Auges verloren, für einen Falken ein Desaster. Der junge Lord hatte eine Linse hergestellt, so klein, dass diese wie ein Monokel saß, eingelegt in einer runden, bronzenen Fassung, die am Kopfgefieder befestigt wurde. Es war Roberts erste Arbeit in der Mikromechanik gewesen, die auch einen praktischen Nutzen gehabt hatte. Opa Lawrence hatte das Genie in seinem Enkel früh erkannt und danach Tag für Tag gefördert. Bis heute wusste niemand davon. Und würde es nach seinem Großvater gehen, würde dies auch auf lange Zeit so bleiben, denn die Folgen wären unabsehbar und

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