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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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musste hier raus. Nach unten ging es jetzt nicht mehr, also, sie drehte sich um und starrte die finstere Treppe hinauf, dann eben nach oben. In dem Moment krallte sich eine Hand in ihren Ärmel, versuchte sie wieder in den Raum zu ziehen. A wirbelte herum, Fingermann! Sie wollte sich losreißen, doch er packte auch mit der anderen noch zu. Sweeny polterte um die letzte Biegung und brüllte etwas, das wie: Tötet den Dämon! klang. Anevay ließ die Arme sinken, tauchte mit ihrer freien Hand unter Fingermanns Achsel hindurch und schlug mit der Handkante gegen seinen Adamsapfel. Sofort erschlaffte sein Griff, er taumelte röchelnd durch die Tür zurück. A fuhr herum und rannte die Stufen des Turms hinauf, Sweenys Atem im Nacken.
    Immer drei auf einmal nahm sie, doch schon nach der zweiten Biegung keuchte Anevay, die Muskeln wurden steif, als würden sie zu Stein. Zum Glück ging es Sweeny nicht anders, der kurz vor dem Kollaps stand, so pfeifend hörte es sich an, wenn er Luft holte. Nach der vierten Biegung war Schluss. Eine vergitterte Tür versperrte den weiteren Weg, ein mächtiges Vorhängeschloss daran. Verdammt, sie hätte LaRue nach einem Schlüssel durchsuchen sollen. Jetzt war es zu spät. Nur noch wenige Meter, dann war ihre Flucht vorbei.
    »Zur Seite, alter Mann!« Jagor holte auf, mit dröhnenden Schritten.
    A stand vor der Gittertür, umfasste die Stäbe, blickte weiter nach oben. Nein, das durfte nicht sein! Doch dann fiel ihr etwas auf.
    »Es ist vorbei, Mädchen.« A drehte sich zu Jagor um, der mit schweißnassem Gesicht sieben Stufen unter ihr stand, in seiner Pranke LaRues Pistolenspritze gefüllt mit der Droge. »Gib auf!»
    »Weißt du, Jagor, was der Unterschied zwischen euch und mir ist?« Hinter ihrem Rücken riss Anevay ein Stück Stoff aus ihrem verschmorten Hemd und stopfte es in den Zylinder des Vorhängeschlosses. Der Bulle kam eine Stufe höher. Neben ihm tauchte jetzt auch Sweeny auf, der gar nicht gut aussah. Rückwärts stellte A ein Bein zwischen die Gitterstäbe. Dann nahm sie die zusammengebundenen Schuhe von ihrer Schulter, ließ sie einen Moment lang in der Hand baumeln. Jagor musterte sie, als wäre es eine potentielle Waffe.
    »Was? Was ist der Unterschied?« Er kam noch eine Stufe höher, senkte leicht den Kopf, als wolle er A jeden Moment in Grund und Boden rammen. Sweeny kratze sich am Bart.
    Es waren zwei Bewegungen gleichzeitig. Wie eine Tänzerin drehte Anevay sich ins Profil, schwang die Schuhe durch die Gitterstäbe, zog die Luft ein, machte einen Schritt nach hinten, die Schultern gerade wie ein Pfeil ... und stand nur einen Moment später auf der anderen Seite des Gitters. Jagor schien verblüfft, Sweeny fiel die Kinnlade herunter.
    »Der Unterschied ist, dass ihr fett seid und ich nicht!«
    Jagor sprang nach vorn, stieß einen Arm durch die Gitterstäbe, doch A wich zurück, nahm die Boots wieder auf und lächelte ihn an. Sweeny brüllte, zog ein Schlüsselbund hervor, fingerte unbeholfen damit herum, bis er den richtigen hatte und wollte ihn ins Schloss stecken, doch es ging nicht. Er fluchte wie ein Irrer. A ließ sie zurück.
    Die letzte Tür stand sogar offen. Der Raum lag unmittelbar unter dem kegelförmigen Dach des Turms. Anevay hörte den Regen auf die Schindeln prasseln, der durch viele Risse drang und auf den dreckigen Boden platschte. Sie kletterte die hölzernen Verstrebungen dort hinauf, wo am meisten Wasser heruntertropfte, hielt sich mit einer Hand fest und schlug mit der anderen die Dachpfanne nach außen. Ein Knacken nur und Schmerz schoss durch ihre Knöchel, ein zweiter Schlag und das Ding flog in die Nacht hinaus. Die andere daneben zerbrach schon beim ersten Mal. A machte die Schultern klein und hievte sich bis zur Hüfte aus der entstandenen Luke. Freiheit!
    Der Himmel sah dramatisch aus. Wetterleuchten erhellte von innen gigantische, schwarzen Wolken, aus denen der Regen wie eine Flut stürzte. Grummelnder Donner brach sich darin, als wäre es die Brandung einer nahen Küste. Einzig der stürmische Wind hatte nachgelassen, sodass dieses Unwetter nun beinahe lotrecht zur Erde fiel.
    Anevay lehnte sich zur Seite und betastete vorsichtig die Schieferschindeln mit der freien Hand, mit der anderen hielt sie sich weiter fest. War das Dach ohnehin schon steil wie eine Wand, so machte der Regen aus dem schwarzen Schiefer zusätzlich eine Rutschbahn, glatter noch als Eis. Und dies war nicht einer der Türme, die den Eingang bewachten, nein, er stand,

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