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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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bringen wir sie zur Küste, ein paar schwere Steine und alles ist wieder in Ordnung.«
    »Redbliss.« Mehr sagte Jagor nicht.
    »Wir werden eine Flucht vortäuschen, was weiß ich. Mir wird schon etwas einfallen. Noch haben wir genügend Zeit, Männer. Ein bedauerlicher Unfall, das ja, aber nicht mehr zu ändern. Schadensbegrenzung ist jetzt das Gebot der Stunde. Die Geräte, oder besser das, was von ihnen übrig ist, müssen wir ebenfalls beiseite schaffen. Los, hopphopp, an die Arbeit, Männer. Schließlich werdet ihr gut dafür bezahlt.« 
     
    Anevays Herz begann wieder zu schlagen. Ein einzelnes Bumm hallte durch ihre leere Brust. BummBumm. Ihr Geist kehrte aus der Tiefe zurück, schwamm dem Pochen entgegen. Bumm, dieses Mal kräftiger. BummBumm, das Schlagen klang nicht länger hohl, sondern füllte die Brust mit neuem Leben.
    »Mach die Fesseln ab, Fingermann.«
    Anevay tauchte weiter empor, hinaus aus der Dunkelheit.
    Der Tisch wurde in eine leicht schräge Position gestellt, damit sie nicht nach vorne fallen würde. A sackte nach unten, ihre Füße berührten den Boden. Die Riemen wurden gelöst. Der Kopf fiel ihr auf die Brust.
    ›Es ist Zeit zu gehen, Anevay.‹
    Welch wunderschöne Stimme sie da vernahm, gleich hier vor ihrem Gesicht. Die Worte hauchten über ihre Wangen, ihre Lippen, die Augen. Der Geruch von klarer, kalter Luft schwebte darin. Anevay brach endlich aus der Tiefe, durchstieß die Oberfläche. Sie zog diesen herrlichen Duft in ihre Lungen.
    »Mach voran, Fingermann.«
    Anevay ballte die Fäuste. Hob den Kopf.
    »Habs ja, habs ja gleich, verdammt.« Fingermann löste den letzten Riemen, der um ihre Schienbeine lag. Er kam wieder aus der Hocke hoch, starrte sie an, sie fühlte es. Denn hatte ihr Kopf nicht eben noch auf der Brust gelegen?
    Und A öffnete ihre Augen.
    Fingermann erstarrte zu blankem Entsetzen. Ein hoher, spitzer Schrei flog aus seinem Mund davon. Es musste wohl ziemlich schrecklich sein, in das lebendige Antlitz einer Toten zu blicken. Gut so!
    »Hoka Hey, Dreckbacke!« Damit rammte Anevay ihr Knie in seine Kronjuwelen. Fingermann klappte zusammen und kippte stöhnend zur Seite. A wartete nicht lange ab, dies war die Nacht, in der sie Fallen Angels für immer hinter sich lassen würde. Es gab nur diese eine Chance. Sie fasste Fingermanns Stiefel ins Auge, die Größe könnte passen. Barfuß war eine Flucht unmöglich. Mit zwei, drei schnellen Bewegungen hatte sie den linken Schuh runter, als sich ihr alter Peiniger halbherzig protestierend aufzurichten versuchte.
    »Bleib besser liegen, oder du wirst nie wieder aufstehen.« Ihre Stimme war nur ein Raunen, aber Fingermann wehrte sich nicht länger, als sie den zweiten Schuh abzog. A verknotete die Schnürsenkel und warf sie sich über die Schulter. In dem Raum brannten nur noch die schwachen Salzlampen. Ihr trübes Licht beschien ein Trümmerfeld aus Zerstörung. Hinter einer zerfetzten Maschine, aus der Zahnräder, Kolben und Kabel wie Eingeweide hingen, tauchte LaRue auf. Er brauchte einen Moment, bis sich das Bild, das er sah, zur Realität verfestigte.
    »Heilige Mutter Gottes!«, entfuhr es ihm. Sein schöner schwarzer Anzug war verschmort, voller grober Risse, die jeden Schneider hätten weinen lassen. Er schritt auf sie zu, sich der Gefahr überhaupt nicht bewusst, denn er war allein, ohne Kupferwächter, Drogen oder seine beiden Aufpasser. Eine Mischung aus Zorn und Unglauben verzerrte seine Züge. Die Haare waren ihm abgebrannt, erkannte A. Da gab es nach heute Nacht wohl nix mehr zum Drüberkämmen. Er bückte sich, klaubte ein noch qualmendes Brett aus dem Schutt und ging damit auf sie los. Er schien um Jahre gealtert.
    Er war schwächlich, bekam nicht richtig Luft. A lenkte den matten Angriff mit einer seichten Handbewegung ins Leere, packte seinen Kragen. LaRue ließ das Brett fallen. Er ächzte, hustete.
    Sie schnupperte an seinem verängstigten Gesicht, als würde sie Witterung aufnehmen.
    »Ich werde Sie finden, LaRue. Irgendwann.« A stieß ihn zwischen zwei verkohlte Regale, wo er wimmernd zu Boden ging. Sie wandte sich der Tür zu, machte sie auf. Frische Luft zog aus dem dämmrigen Treppenrund herauf. Sie atmete zwei Mal tief ein und wieder aus. Hinter ihr rief LaRue mit Fistelstimme nach Jagor und Sweeny.
    Plötzlich stachen die Lichtkegel zweier Taschenlampen über die gemauerten Wände. Hektische Schritte auf den Stufen. Vielleicht hatte der Irre noch ein anderes Signal senden können? Es war egal. Sie

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