Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
die Luft.
Arya tauchte kopfüber in den Tunnel ein und fiel fast zwei Meter tief. Die Erde, die sie plötzlich im Mund hatte, störte sie nicht, es schmeckte gut, es schmeckte nach Schlamm und Wasser und Würmern und Leben. Unter der Erde war es kühl und dunkel. Über ihr war nichts als Blut und tosendes Feuer, erstickender Qualm und das Schreien sterbender Pferde.
Sie drehte ihren Gürtel nach hinten, damit Nadel ihr nicht im Weg war, und begann zu kriechen. Nach vier Metern hörte sie ein Geräusch, das wie das Brüllen eines gewaltigen Untiers klang, und eine heiße schwarze Rauchwolke wallte hinter ihr in den Gang. So musste es in der Hölle stinken. Arya hielt die Luft an, küsste den Schlamm am Boden des Tunnels und weinte. Um wen, wusste sie nicht zu sagen.
TYRION
Die Königin war nicht gewillt, auf Varys zu warten. »Hochverrat ist verwerflich genug«, verkündete sie wütend, »doch dies hier ist der Gipfel der Schurkerei, und ich brauche diesen trippelnden Eunuchen nicht, um zu wissen, wie man mit Schurken zu verfahren hat.«
Tyrion nahm seiner Schwester die Briefe ab und verglich sie miteinander. Es handelte sich um zwei Abschriften mit exakt gleichem Wortlaut, doch waren sie von verschiedener Hand geschrieben.
»Maester Frenken hat das erste Schreiben auf Burg Schurwerth erhalten«, erläuterte Großmaester Pycelle. »Die zweite Abschrift erreichte uns über Lord Gil.«
Kleinfinger strich sich durch den Bart. »Wenn Stannis sich mit denen abgibt, hat jeder andere Lord der Sieben Königslande diesen Brief mit Sicherheit ebenfalls erhalten.«
»Ich wünsche, dass diese Schreiben verbrannt werden, jedes einzelne«, verlangte Cersei. »Meinem Sohn oder meinem Vater darf kein Wort davon zu Ohren gelangen.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass unser Vater bereits mehr als ein Wort davon vernommen hat«, sagte Tyrion trocken. »Ohne Zweifel hat Stannis einen Vogel nach Casterlystein geschickt, und einen weiteren nach Harrenhal, wozu soll es also gut sein, die Briefe zu verbrennen? Das Lied ist gesungen, der Wein ist vergossen, das Weib ist schwanger. Und so furchtbar ist es schließlich auch wieder nicht.«
Cersei wandte sich ihm zu. Aus ihren grünen Augen wallte ihm Zorn entgegen. »Seid Ihr vollkommen von Sinnen?
Habt Ihr nicht gelesen, was darin steht? Der Knabe Joffrey , so nennt er ihn. Und er wagt es, mich des Inzests, des Ehebruchs und des Hochverrats zu bezichtigen!«
Nur, weil du dieser Verbrechen schuldig bist. Erstaunlich, mit welcher Inbrunst sich Cersei über Vorwürfe empören konnte, von denen sie sehr wohl wusste, dass sie zutrafen. Falls wir den Krieg verlieren, sollte sie sich als Mime verdingen, dafür besitzt sie eine Gabe. Er wartete, bis sie fertig war, und antwortete: »Stannis braucht einen Vorwand, um seine Rebellion zu rechtfertigen. Was habt Ihr denn erwartet? Dass er schreibt, ›Joffrey ist meines Bruders rechtmäßiger Sohn und Erbe, aber ich habe trotzdem vor, ihn des Throns zu berauben‹?«
»Ich werde es nicht hinnehmen, mich eine Hure nennen zu lassen.«
Was denn, Schwesterchen, er behauptet doch gar nicht, Jaime habe dich dafür bezahlt. Mit großer Geste betrachtete Tyrion die Schreiben von neuem. Am Ende stand ein eigentümlicher Satz … »Erlassen im Lichte des Herrn«, las er vor. »Eine merkwürdige Wortwahl.«
Pycelle räusperte sich. »Diese Worte stehen oft in Briefen und Dokumenten aus den Freien Städten. Sie meinen meist nicht viel mehr als, sagen wir, verfasst vor Gott . Vor dem Gott der Roten Priester. Sie benutzen diese Formulierung, glaube ich.«
»Varys hat uns vor einigen Jahren erzählt, dass Lady Selyse sich mit einer Roten Priesterin eingelassen hätte«, erinnerte Kleinfinger sie.
Tyrion tippte auf das Papier. »Und nun scheint ihr Hoher Gemahl ihrem Beispiel gefolgt zu sein. Das könnten wir gegen ihn verwenden. Drängt den Hohen Septon zu verkünden, Stannis habe sich gleichermaßen gegen die Götter und gegen seinen rechtmäßigen König erhoben …«
»Ja, ja«, erwiderte die Königin ungeduldig. »Aber zuerst müssen wir verhindern, dass dieser Schmutz sich weiter verbreitet. Der Rat muss einen Erlass herausgeben. Jeder Mann,
der es wagt, von Inzest zu sprechen oder Joffrey einen Bastard zu nennen, soll dafür seine Zunge einbüßen.«
»Eine besonnene Maßnahme«, meinte Großmaester Pycelle und nickte, wobei seine Amtskette klingelte.
»Eine Torheit«, seufzte Tyrion. »Wenn Ihr einem Mann die Zunge herausreißt, straft Ihr seine
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