Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
überraschte. Etwas Ähnliches war bei Drogos Tod geschehen, als sein großes Khalasar in kleine Teile zerfallen war. »Mein Bruder ist ebenfalls tot, Viserys, der wahre König«, erzählte sie dem Mann von den Sommerinseln. »Khal Drogo, mein Hoher Gemahl, hat ihn mit einer Krone aus geschmolzenem Gold getötet.« Hätte ihr Bruder sich ein wenig weiser verhalten, wenn er gewusst hätte, dass die Rache, um die er so lange gebetet hatte, so kurz bevorstand?
»Dann trauere ich mit Euch, Drachenmutter, und auch um das blutende Westeros, das seines rechtmäßigen Königs beraubt wurde.«
Unter Danys sanfter Hand starrte der grüne Rhaegal den Fremden mit Augen an, die wie geschmolzenes Gold leuchteten. Als er das Maul öffnete, glänzten seine Zähne wie
schwarze Nadeln. »Wann kehrt Euer Schiff nach Westeros zurück, Kapitän?«
»Erst in einem Jahr, fürchte ich. Von hier geht unsere Fahrt erst in Richtung Osten, um die Handelsrundfahrt durch die Jadesee zu vollenden.«
»Ich verstehe«, sagte Dany enttäuscht. »Ich wünsche Euch günstige Winde und gute Geschäfte. Ihr habt mir wahrlich ein kostbares Geschenk gemacht.«
»Dafür wurde ich reichlich entlohnt, große Königin.«
Diese Bemerkung verwirrte sie. »Wie das?«
Seine Augen strahlten. »Ich habe die Drachen gesehen.«
Dany lachte. »Und eines Tages werdet Ihr hoffentlich noch mehr von ihnen sehen. Kommt zu mir nach Königsmund, wenn ich auf dem Thron meines Vaters sitze, und dann erwartet Euch eine große Belohnung.«
Der Mann versprach es und küsste ihr zum Abschied sanft die Hand. Jhiqui führte ihn hinaus, während Ser Jorah Mormont zurückblieb.
» Khaleesi «, begann der Ritter, als sie allein waren, »an Eurer Stelle würde ich nicht so offen über Eure Pläne sprechen. Dieser Mann wird sie überall verbreiten.«
»Mag er nur«, antwortete sie. »Soll die Welt meine Absichten erfahren. Der Usurpator ist tot, was macht es da noch aus?«
»Nicht jedes Seemannsgarn entspricht der Wahrheit«, mahnte Ser Jorah, »und selbst, wenn Robert tatsächlich tot ist, regiert nun sein Sohn. Das ändert eigentlich gar nichts.«
»Das ändert alles. « Abrupt erhob sie sich. Kreischend bäumten sich die Drachen auf. Drogon flatterte auf und krallte sich in den Sturz über der Tür. Die anderen huschten über den Boden, wobei ihre Flügelspitzen über den Marmor scharrten. »Vor Roberts Tod waren die Sieben Königslande wie Drogos Khalasar, einhunderttausend Mann, durch einen vereint. Jetzt sind sie zu Scherben zerbrochen, so wie das Khalasar, nachdem mein Khal gestorben war.«
»Die hohen Lords haben schon immer ihre Kriege geführt. Sagt mir, wer gesiegt hat, und ich werde Euch sagen, was es bedeutet. Khaleesi, die Sieben Königslande werden Euch nicht wie ein reifer Pfirsich in den Schoß fallen. Ihr braucht eine Flotte, Gold, Armeen, Bündnisse …«
»Das alles weiß ich.« Sie ergriff seine Hände und blickte in seine misstrauischen dunklen Augen. Manchmal betrachtet er mich als das Kind, das er beschützen muss, manchmal als die Frau, zu der er sich gern legen möchte, aber hat er in mir schon einmal wirklich seine Königin gesehen? »Ich bin nicht mehr das verängstigte Mädchen, das Ihr in Pentos kennengelernt habt. Gewiss, ich habe erst fünfzehn Namenstage erlebt … und dennoch, ich bin so alt wie die Greisinnen der Dosh Khaleen und so jung wie meine Drachen, Jorah. Ich habe ein Kind geboren, einen Khal verbrannt, und ich habe die rote Wüste und das Dothrakische Meer durchquert. Ich bin das Blut des Drachen.«
»Ebenso wie Euer Bruder«, beharrte er.
»Ich bin nicht Viserys.«
»Nein«, gab er zu. »In Euch steckt mehr von Rhaegar, glaube ich, doch sogar Rhaegar konnte man töten. Das hat Robert am Trident bewiesen, und er brauchte dazu nur einen gewöhnlichen Kriegshammer. Selbst Drachen können sterben.«
»Drachen sterben.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die unrasierte Wange. »Aber Drachentöter auch.«
BRAN
Meera drehte sich wachsam im Kreis, das Netz baumelte lose in ihrer linken Hand, den schlanken Froschspeer mit den drei Spitzen hielt sie in der Rechten. Sommer folgte ihren Bewegungen mit den goldenen Augen und reckte den Schwanz steif in die Höhe. Beobachtete sie, beobachtete sie …
»Yai!«, rief das Mädchen und stieß mit dem Speer zu. Der Wolf glitt nach links und sprang, ehe sie die Waffe zurückziehen konnte. Meera warf das Netz, das sich vor ihr ausbreitete. Sommer sprang mitten
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