Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
dem
Wehrholzbaum und betrachtete ihn ernst. »Es wäre gut, wenn du Winterfell verlässt, Bran.«
»Wirklich?«
»Ja. Und je eher, desto besser.«
»Mein Bruder hat den Grünen Blick«, sagte Meera. »Er träumt Dinge, die noch nicht passiert sind, die jedoch manchmal wirklich geschehen.«
»Nicht manchmal, Meera.« Sie sahen sich an; er traurig, sie trotzig.
»Sag mir, was passieren wird«, verlangte Bran.
»Das tue ich«, erwiderte Jojen, »wenn du mir von deinen Träumen erzählst.«
Im Götterhain wurde es still. Bran hörte das Laub rascheln, und irgendwo plantschte Hodor in den heißen Tümpeln. Er dachte an den goldenen Mann und die dreiäugige Krähe, erinnerte sich an das Knirschen der Knochen, die von seinen Kiefern zermahlt wurden, und an den Kupfergeschmack des Blutes. »Ich träume nicht. Maester Luwin gibt mir Schlaftränke. «
»Helfen sie?«
»Meistens.«
Meera sagte: »In Winterfell weiß jeder, dass du nachts oft schweißgebadet und schreiend aufwachst, Bran. Die Frauen reden am Brunnen darüber, und die Wachen in ihren Quartieren. «
»Sag uns, was dir so große Angst macht«, forderte Jojen.
»Ich will nicht. Das sind doch nur Träume. Maester Luwin meint, Träume können etwas bedeuten oder auch nicht.«
»Mein Bruder träumt auch wie andere Jungen, und diese Träume können alles Mögliche bedeuten«, erwiderte Meera, »aber die Grünen Träume sind anders.«
Jojens Augen hatten die Farbe von Moos, und manchmal, wenn er jemanden anblickte, schien er etwas ganz anderes zu sehen. So wie jetzt. »Ich habe von einem geflügelten Wolf geträumt, der mit grauen Steinketten an die Erde gefesselt
war«, erzählte er. »Es war ein Grüner Traum, darum weiß ich, dass er wahr ist. Eine Krähe wollte die Kette durchpicken, aber der Stein war zu hart, und der Schnabel hackte nur winzige Splitter ab.«
»Hatte die Krähe drei Augen?«
Jojen nickte.
Sommer hob den Kopf von Brans Schoß und starrte den jungen Pfahlbaumann mit seinen dunkelgoldenen Augen an.
»Als ich klein war, wäre ich fast am Grauwasserfieber gestorben. Da kam die Krähe zu mir.«
»Zu mir ist sie gekommen, nachdem ich gestürzt war«, platzte Bran heraus. »Ich habe lange geschlafen. Sie hat gesagt, ich müsse fliegen oder sterben, und dann bin ich aufgewacht, bloß war mein Körper zerschmettert, und ich konnte gar nicht fliegen.«
»Du kannst, wenn du willst.« Meera hob ihr Netz auf, löste die letzten Knoten und legte es locker zusammen.
» Du bist der geflügelte Wolf, Bran«, sagte Jojen. »Als wir hier ankamen, war ich mir dessen nicht sicher, doch inzwischen bin ich es. Die Krähe hat uns geschickt, damit wir deine Ketten lösen.«
»Ist die Krähe in Grauwasser?«
»Nein. Die Krähe hält sich im Norden auf.«
»Auf der Mauer?« Bran hatte die Mauer immer schon sehen wollen. Sein Bastardbruder Jon diente dort in der Nachtwache.
»Jenseits der Mauer.« Meera Reet hängte sich das Netz an den Gürtel. »Als Jojen unserem Hohen Vater erzählte, was er geträumt hat, hat er uns nach Winterfell geschickt.«
»Und wie soll ich die Kette sprengen, Jojen?«, wollte Bran wissen.
»Öffne dein Auge.«
»Sie sind offen. Bist du blind ?«
»Zwei sind offen.« Jojen zeigte darauf. »Eins, zwei.«
»Ich habe nur zwei.«
»Du hast drei. Die Krähe hat dir ein drittes geschenkt, doch du willst es nicht aufmachen.« Er sprach die ganze Zeit so langsam, dass Bran sich dabei wie ein kleines Kind fühlte. »Mit zwei Augen siehst du mein Gesicht. Mit dreien könntest du mein Herz sehen. Mit zweien siehst du die Eiche dort. Mit dreien könntest du die Eichel erkennen, aus der sie gewachsen ist, und den Stumpf, der eines Tages von ihr bleiben wird. Mit zwei Augen siehst du nur bis zu euren Mauern. Mit dreien könntest du bis zum Sommermeer im Süden schauen und über die Mauer im Norden hinaus.«
Sommer stand auf. »So weit brauche ich nicht zu sehen.« Bran lächelte nervös. »Dieses Gerede über Krähen langweilt mich. Reden wir lieber über Wölfe. Oder über Echsenlöwen. Hast du schon einmal einen gejagt, Meera? Bei uns gibt es keine.«
Meera holte ihre Froschspeere aus dem Gebüsch. »Sie leben im Wasser. In langsam fließenden Bächen und tiefen Sümpfen …«
Ihr Bruder unterbrach sie. »Hast du von Echsenlöwen geträumt? «
»Nein«, sagte Bran. »Ich will nicht mehr über …«
»Aber von einem Wolf?«
Er machte Bran wütend. »Ich muss keinem meine Träume erzählen. Ich bin der Prinz. Ich bin der Stark
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