Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
»Einen noch«, befahl er und holte den dritten Pfeil aus dem Köcher. Er ist genauso angespannt wie die Bogensehne, dachte Catelyn.
Ser Brynden hatte das offenbar ebenfalls bemerkt. »Lasst es mich versuchen, mein Lord«, bot er an.
»Ich schaffe das schon«, beharrte Edmure. Er ließ den nächsten Pfeil entzünden, riss den Bogen hoch, holte tief Luft, zog die Sehne zurück. Einen langen Augenblick schien er zu zögern, während das Feuer knisternd am Schaft entlangkroch. Endlich ließ er los. Der Pfeil ging hoch und höher, ging schließlich wieder nach unten, fiel, fiel ... und zischte an dem aufgeblähten Segel vorbei.
Knapp verfehlt, kaum um mehr als eine Spanne, aber dennoch verfehlt. »Die Anderen mögen es holen!«, fluchte ihr Bruder. Das Boot war schon fast außer Schussweite, trieb in die Nebelfetzen auf dem Fluss hinein und wieder aus ihnen heraus. Wortlos drückte Edmure seinem Onkel den Bogen in die Hand.
»Rasch«, sagte Ser Brynden. Er legte einen Pfeil auf, hielt ihn ruhig, damit er angezündet werden konnte, spannte und ließ los, noch ehe Catelyn sicher war, dass der Lumpen wirklich Feuer gefangen hatte ... doch während der Pfeil aufstieg, sah sie die Flammen wie ein bleiches, orangefarbenes Banner durch die Luft wehen. Das Boot war im Nebel verschwunden. Im Niedergehen wurde auch der brennende Pfeil unsichtbar... allerdings nur einen Herzschlag lang. Dann blühte die rote Blüte so unvermittelt auf wie die Hoffnung. Die Segel entflammten und der Nebel glühte rosa und orange. Für einen Augenblick sah Catelyn die Umrisse des Bootes deutlich in den Flammen.
Warte auf mich, kleine Cat , hörte sie ihren Vater flüstern.
Sie streckte blind die Hand aus und wollte die ihres Bruders ergreifen, doch Edmure war zur Seite getreten und stand allein auf dem höchsten Punkt des Wehrgangs. An seiner Stelle nahm ihr Onkel Brynden ihre Hand und verschränkte seine starken Finger mit ihren. Gemeinsam schauten sie zu, wie das Feuer kleiner und kleiner wurde, während das Boot in die Ferne trieb.
Und dann war es verschwunden ... Vielleicht fuhr es noch immer flussabwärts, oder es war zerbrochen und sank. Das Gewicht der Rüstung würde Lord Hoster in seine letzte Ruhestatt im weichen Schlamm des Flussbetts ziehen, in die Hallen des Wassers, wo die Tullys bis in alle Ewigkeit bei ihren letzten Untertanen, den Fischen, Hof hielten.
Kaum war das brennende Boot vollständig verschwunden, ging Edmure davon. Catelyn hätte ihn gern umarmt, nur einen Moment lang; sie hätte gern eine Stunde oder eine Nacht oder einen Mond lang über die Toten gesprochen und getrauert. Dennoch wusste sie genauso gut wie er, dass dafür keine Zeit war; er war jetzt der Lord von Schnellwasser, und seine Ritter scharten sich um ihn, sprachen ihm murmelnd ihr Beileid aus, gelobten ihm Treue und schotteten ihn gegen solch unwichtige Dinge wie die Trauer seiner Schwester ab. Edmure hörte zu und nahm keines ihrer Worte auf.
»Es ist keine Schande, nicht zu treffen«, erklärte Onkel Brynden ihr leise. »Das sollte man Edmure sagen. An dem Tag, als mein eigener Hoher Vater den Fluss hinabfuhr, hat Hoster ihn ebenfalls verfehlt.«
»Mit dem ersten Pfeil.« Catelyn war zu jung gewesen, um sich daran zu erinnern, aber Lord Hoster hatte die Geschichte oft genug erzählt. »Sein zweiter traf das Segel.« Sie seufzte. Edmure war nicht so stark, wie es den Anschein hatte. Der Tod ihres Vaters war eine Erlösung gewesen, dennoch hatte er ihren Bruder sehr hart getroffen.
Spät in der letzten Nacht war er angetrunken zusammengebrochen und hatte geweint, hatte ungetane Dinge und ungesagte Worte bereut. Er hätte niemals losreiten dürfen, um die Schlacht an den Furten zu schlagen, beichtete er ihr mit Tränen in den Augen; er hätte am Bett ihres Vaters bleiben sollen. »Ich hätte bei ihm sein müssen, so wie du«, sagte er. »Hat er am Ende von mir gesprochen? Sag mir die Wahrheit, Cat. Hat er nach mir gefragt?«
Lord Hosters letztes Wort war » Alraune « gewesen, doch
Catelyn konnte sich nicht überwinden, ihrem Bruder dies zu sagen. »Er hat deinen Namen geflüstert«, hatte sie gelogen, und ihr Bruder hatte dankbar genickt und ihre Hand geküsst. Hätte er seinen Kummer und seine Schuldgefühle nicht im Wein ertränkt, wäre er vielleicht in der Lage gewesen, das Boot zu treffen, dachte sie bei sich und seufzte. Doch auch das durfte sie niemals aussprechen.
Der Schwarzfisch geleitete sie vom Wehrgang hinunter zu Robb, der im Kreise
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