Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
Meuchelmörder.«
Kleinfinger zuckte mit den Achseln. »Titel sind billig. Die Männer ohne Gesicht sind teuer. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, habe ich dieser Targaryen mehr Gutes getan als Ihr mit Eurem Gerede von Ehre. Lasst doch irgendeinen Söldner, benommen vom Traum, ein Lord zu werden, den Versuch wagen, sie zu töten. Wahrscheinlich wird er es verderben, und danach werden die Dothraki auf der Hut sein. Wenn wir ihr die Männer ohne Gesicht schicken, ist sie so gut wie begraben.«
Ned legte seine Stirn in Falten. »Ihr sitzt im Rat und redet von hässlichen Frauen und stählernen Küssen, und jetzt erwartet Ihr von mir, dass ich Euch glaube, Ihr hättet versucht, das Mädchen zu schützen? Für wie dumm haltet Ihr mich eigentlich?«
»Nun, für ziemlich dumm, ehrlich gesagt«, antwortete Kleinfinger lachend darauf.
»Findet Ihr Mord immer so amüsant, Lord Baelish?«
»Nicht den Mord finde ich amüsant, Lord Stark, sondern Euch. Ihr herrscht wie ein Mann, der auf brüchigem Eis tanzt. Ihr gebt sicher ein edles Klatschen ab. Ich meine, heute Morgen das erste Knacken gehört zu haben.«
»Das erste und letzte«, sagte Ned. »Ich habe genug.«
»Wann gedenkt Ihr, nach Winterfell zurückzukehren, Mylord? «
»Sobald ich kann. Was geht es Euch an?«
»Nichts … doch falls Ihr zufällig bei Einbruch der Dunkelheit noch hier sein solltet, würde ich Euch gern zu diesem Bordell führen, das Euer Jory so erfolglos besucht hat.« Kleinfinger lächelte. »Und ich würde auch Lady Catelyn nichts davon erzählen.«
CATELYN
»Mylady, Ihr hättet uns Nachricht über Euer Kommen senden sollen«, erklärte Ser Donnel Waynwald, als ihre Pferde den Pass erklommen. »Wir hätten Euch eine Eskorte gesandt. Die Bergstraße ist nicht mehr so sicher, wie sie einmal war, für eine kleine Gesellschaft wie die Eure.«
»Das mussten wir zu unserem Bedauern feststellen, Ser Donnel«, sagte Catelyn. Manchmal fühlte sie sich, als sei ihr Herz zu Stein geworden. Sechs tapfere Männer waren gefallen, um sie so weit zu bringen, und sie fand in sich nicht einmal Tränen. Selbst ihre Namen verblassten. »Dieser Stamm hat uns bei Tag und Nacht zugesetzt. Drei Mann haben wir beim ersten Angriff verloren, zwei weitere beim zweiten, und Lennisters Diener starb am Fieber, als seine Wunden eiterten. Als wir Eure Männer hörten, dachte ich, unser Schicksal sei endgültig besiegelt.« Sie hatten sich auf eine letzte Schlacht vorbereitet, mit den Klingen in Händen und den Rücken am Fels. Der Zwerg hatte die Schneide seiner Axt gewetzt und einen bösen Scherz gemacht, als Bronn das Banner entdeckte, das die Reiter trugen, Mond und Falke des Hauses Arryn, himmelblau und weiß. Nie war Catelyn dieser Anblick willkommener gewesen.
»Die Stämme sind dreister geworden, seit Ser Jon tot ist«, sagte Ser Donnel. Er war ein stämmiger Mann von zwanzig Jahren, ernst und unscheinbar, mit breiter Nase und einem dicken Schopf von braunem Haar. »Wenn es nach mir ginge, würde ich hundert Mann in die Berge führen, sie aus ihren Befestigungen holen und ihnen ein paar scharfe Lektionen erteilen, aber Eure Schwester hat es verboten. Sie wollte ihren
Rittern nicht einmal erlauben, im Turnier der Hand zu kämpfen. Sie will alle Schwerter nah ans Haus binden, um das Tal zu verteidigen … wogegen, dessen ist sich niemand sicher. Schatten, sagen manche.« Unsicher sah er sie an, als erinnerte er sich plötzlich daran, wer ihm gegenüberstand. »Ich hoffe, es stand mir zu, so zu sprechen, Mylady, ich wollte Euch nicht kränken.«
»Offene Worte kränken mich nicht, Ser Donnel.« Catelyn wusste, was ihre Schwester fürchtete. Nicht Schatten, sondern Lennisters, dachte sie bei sich und blickte dorthin zurück, wo der Zwerg an Bronns Seite ritt. Die beiden waren dicke Freunde geworden, seit Chiggen tot war. Der kleine Mann war durchtriebener, als ihr lieb sein konnte. Als sie in die Berge aufstiegen, war er ihr Gefangener gewesen, gefesselt und hilflos. Was war er jetzt? Noch immer ihr Gefangener, doch ritt er mit einem Dolch am Gürtel und einer Axt am Sattel, trug den Umhang aus Schattenfell, den er beim Würfeln vom Sänger gewonnen hatte, und die Halsberge aus Ketten, die er Chiggens Leiche abgenommen hatte. Jeweils zwanzig Männer flankierten den Zwerg und den Rest ihrer zerlumpten Bande, Ritter und Soldaten in Diensten ihrer Schwester Lysa und Jon Arryns kleinem Sohn, und bisher zeigte Tyrion nicht den Anflug von Furcht. Könnte ich mich
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