Das Locken der Sirene (German Edition)
offensichtlich an fünf atemlos intensiven Kapiteln abgearbeitet. Er las sie sehr sorgfältig und machte sich dabei Notizen. Eine gewisse Aufregung packte ihn – was sie mit dem Buch machte, war richtig gut. Aber er musste sie in eine neue Richtung lenken, bevor sie weiterschrieb. Sie musste dem Leser ab und zu eine Verschnaufpause gönnen, bevor sie das Tempo wieder anzog.
Er las noch einmal seine Notizen durch und wählte dann ihre Büronummer.
„Sophokles’ Haus der Vatermörder und Inzestkinder“, meldete Nora sich. „Wie darf ich Sie blenden?“
Zach biss sich auf die Unterlippe, damit sie sein Lachen nicht hörte.
„Nora.“
„Zachary!“, rief sie atemlos.
„Sie sind ja bester Laune, wie ich sehe.“
„Sie können mich sehen? Wo sind Sie? Sind Sie in meinem Haus?“
Dieses Mal hielt Zach sein Lachen nicht zurück.
„Wenn ich diesen exzessiven Ausbruch von Freude und Begeisterung richtig deute, darf ich annehmen, dass Ihr Praktikant wieder zu Hause ist?“
„Ja, Gott sei Dank. Mit einer kleinen List ist es mir gelungen, ihn wieder unter mein Dach zu schmuggeln, wo er hingehört. Er ruht sich gerade aus, und ich schwebe quasi auf Wolke acht. Auf Wolke sieben waren mir zu viele aufgeblasene Engländer. Nicht meine Szene.“
Zach räusperte sich. „Da wir gerade von Szenen sprechen …“
„Oh Gott, das Buch. Wissen Sie was, Zach? Ich bin grad in richtig guter Stimmung. Nichts, was Sie jetzt sagen oder tun, wird sie mir verderben. Schreddern Sie die Kapitel. Geben Sie alles. Tun Sie mir weh. Ich bin bereit.“
Zach atmete tief durch. „Die neuen Kapitel sind absolut fantastisch.“
Er hörte, wie Nora am anderen Ende der Leitung ein ziemlich undamenhaftes Lachen von sich gab, das eher an ein Schnauben erinnerte.
„Sie sind ein fürchterlicher Lügner.“
„Ich meine das absolut ernst, Nora. Was Sie geschrieben haben, ist großartig. Es bedarf noch einiger kleiner Verbesserungen, aber ansonsten ist alles genau auf den Punkt. Jetzt müssen Sie nur ein wenig Geschwindigkeit herausnehmen.“
„Irgendwelche Vorschläge?“
„Ich sag nur drei Worte:
Show – don’t tell
. Lassen Sie den Leser teilhaben, anstatt es ihm nur zu erklären.“
„Wie viel zahlen sie Ihnen eigentlich dafür?“
Zach lachte unterdrückt und machte Nora ein paar konkrete Vorschläge, wie sie die nächsten zwei oder drei Kapitel angehen könnte. „Und ich will morgen früh fünf weitere Kapitel“, beendete er das Thema, obwohl er wusste, dass diese Herausforderung fast unmöglich zu schaffen war.
„Sklaventreiber“, sagte sie.
„Nora, wir haben eine Menge Zeit verloren …“
„Zach“, unterbrach sie ihn. Er hörte das Lächeln in ihrer Stimme. „Entspannen Sie sich. Ich bin’s. Sklaventreiber ist ein Kompliment.“
Sie verabschiedeten sich, und Zach legte auf. Er hob den Kopf und sah seine Assistentin in der Tür stehen. Sie hielt einen Karton in den Händen.
„Oh Gott. Schon wieder eins?“, fragte er.
„Ich fürchte, ja, Boss.“ Mary betrat sein Büro. Sie legte den flachen, etwa buchgroßen Karton auf seinen Schreibtisch.
„Haben wir denn immer noch nicht herausgefunden, wer mir diesen Unsinn schickt?“ Zach nahm den Karton in die Hand und riss misstrauisch das braune Packpapier herunter.
„Ich glaube, ich weiß, wer dahintersteckt“, sagte Mary. „Ich frag mich, was es dieses Mal ist.“
„Was war’s noch mal vor zwei Tagen? Analkugeln? Und davor eine Augenbinde. Was hat der Unbekannte letzte Woche geschickt?“
„Gleitmittel“, erinnerte Mary ihn. „K-Y Jelly, um genau zu sein.“
Zach sah Mary an und unterdrückte ein Grinsen. Mary war ihm die zweitliebste Frau, seit er nach New York gekommen war.
Sie schaute ihn unter erhobenen Augenbrauen an. „Wenn Sie weiter mit Nora Sutherlin zusammenarbeiten, können Sie demnächst Ihren eigenen Sexshop aufmachen.“
„Alles wäre mir lieber als das hier. Ich dachte bisher, im Verlagswesen dürfen nur Erwachsene arbeiten“, sagte er und drehte die Schachtel in den Händen hin und her. Zach überlegte, sie einfach in den Müll zu werfen. Seit er seine Arbeit mit Nora begonnen hatte, tauchte alle paar Tage in seinem Posteingangskorb oder auf seinem Schreibtisch ein anzügliches „Geschenk“ auf.
„Ach, kommen Sie. Sie wissen es doch besser. Ich wette, es ist Thomas Finley. Er hat geglaubt, er würde den Job drüben in L. A. bekommen, weil er schon am längsten hier arbeitet. Er war ziemlich angepisst, als J. P. Ihnen den
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