Das Los: Thriller (German Edition)
Schon vergessen?« Trishas Ärger war echt.
»Nun spreche ich von ›wir‹, und dir ist es auch nicht recht!«, gab Chad beleidigt zurück. »Ich mache mir nur Sorgen um dich.« Seine Stimme wurde sanfter. »Weißt du überhaupt, warum dieser Henri, mit dem du durch die Welt jettest, gesessen hat?«
»Natürlich, er hat es mir gesagt. Wegen Betrug. Er sagt aber auch, er sei unschuldig.«
»Das hat er dir gesagt?« Chad klang empört. »Ich hatte dir doch erzählt, dass ich in dem Gefängnis, in dem er gesessen hat, diesen Zhang kenne, der immer noch zu Ryan, dem Iren, Kontakt hält. Die haben da alle heimlich Mobiltelefone im Knast. Ich habe Ryan gebeten, Zhang einmal über diesen Henri auszuhorchen. Und weißt du, was er mir erzählt hat?«
Trisha verneinte.
»Dass er zu den ganz schweren Jungs gehört. Er hatte Sicherheitsverwahrung; das bekommen nur die, die nie mehr rauskommen. Zhang meinte …« Chad unterbrach sich selbst. Es knisterte in der Leitung.
»Was meinte er?«, fragte Trisha. Plötzlich fühlte ihr Mund sich ganz trocken an.
»Na ja, er hat wohl Mädchen vergewaltigt! Im Knast war er jedenfalls nicht besonders beliebt. Daher wohl auch der Mordanschlag.«
Trisha versuchte zu schlucken, doch sie hatte nicht genug Speichel. Ihr Magen zog sich zusammen.
»Trisha? Bist du noch da? Sorry, ich wollte es dir eigentlich nicht sagen … aber ich werde hier verrückt vor Sorge. Würde mich nicht wundern, wenn so einer auch für den Mord am Mönch und die Schüsse auf Carter verantwortlich ist. Wenn einer so lange im Gefängnis gesessen hat, kennt der bestimmt genügend Leute für solche Jobs …«
Trisha erinnerte sich an den »Taxifahrer«, der sie beide auf Henris Geheiß durch Hamburg chauffiert hatte, und an den Griechen, der ihnen die Pässe ausgestellt hatte. Konnte es sein, dass er auch einen Mord als Gefallen eingefordert hatte? Allerdings wirkten die beiden Männer, die wohl einst mit Henri im Gefängnis gewesen waren, überhaupt nicht so, als wenn sie ihn verachten würden. Konnte es wahr sein, dass Henri ein Frauenschänder war?
»Bist du … dir sicher … was Henri anbelangt?«, stotterte sie schließlich.
»Zhang hat es gesagt, und der wird es wissen …«
Trisha spürte, wie ihr die Hitze zu Kopf stieg. Mit einem Mal fand sie die Schwüle unerträglich.
Plötzlich bemerkte sie, dass Henri sie entdeckt hatte und ihr fröhlich mit dem Glas zuprostete. Sie zwang sich zu einem Lächeln.
»Ich muss das erst einmal verdauen, ich muss jetzt auflegen«, sagte sie.
»Tu das«, antwortete Chad verständnisvoll. »Aber pass auf dich auf. Solltest du diesen indischen Bastard doch noch finden, dann komm sofort danach wieder nach Hause. Und im Notfall liefere diesen Henri einfach ans Messer. Vielleicht würde sogar die indische Polizei ihn verhaften und ausliefern.«
»Ich melde mich«, erwiderte Trisha und beendete das Telefonat. Als sie zurück zu ihrem Platz ging, fühlte sich der Boden unter ihren Füßen merkwürdig weich an, so als würde sie auf Wackelpudding laufen.
»Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen«, bemerkte Henri, als sie sich in den Korbsessel neben ihn fallen ließ.
»Das war nur Chad«, murmelte Trisha und nahm einen kräftigen Schluck Eistee. Dabei musterte sie Henri. Ihre Menschenkenntnis hatte sie noch nie enttäuscht – außer bei Chad. Doch vielleicht war sie gar nicht so begabt darin, hinter die Gesichter von Menschen zu schauen, wie sie allgemein dachte. Oder ihre Gabe beschränkte sich auf Spielsituationen.
»Was ist?«, fragte Henri, der bemerkt hatte, dass sie ihn anstarrte.
»Dieser Belgier, den du auf den Mönch angesetzt hast – wie hieß er doch gleich?«
»Verbeeck«, antwortete Henri.
»Bis du sicher, dass er den Mönch nicht umgebracht hat?« Am liebsten hätte Trisha noch die Worte »in deinem Auftrag« hinzugefügt, sie wollte sich der Sache aber langsam nähern.
»Verbeeck?«, entgegnete Henri ehrlich erstaunt. »Mit Sicherheit nicht. Der könnte noch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun. Er ist ein Künstler, kein Killer. Nachdem ich aus dem Knast getürmt bin, kann er mich nun nicht mehr erreichen. Mein Handy musste ich da zurücklassen. Und seine Nummer habe ich auch nicht im Kopf.« Henri grübelte kurz über irgendetwas, dann zog er plötzlich misstrauisch die Augenbrauen zusammen. »Moment einmal, wie kommst du überhaupt darauf, dass Verbeeck etwas mit dem Tod des Mönchs zu tun haben könnte? Hat das was mit deinem
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