Das Los: Thriller (German Edition)
Hofrat.
»Stellt sie lieber wieder zurück«, legte Calzabigi ihm nahe.
Doch Hainchelin überhörte einmal mehr seinen Rat. »Was meint Ihr: Ob sie einer Eurer Lottogewinner erwerben wird, als Dank, dass sie ihm wohlgesonnen war? Oder vielleicht Ihr selbst, damit sie Euch Glück bringt, indem sie weniger Glück aus ihrem Füllhorn über die preußischen Lottogewinner ausschüttet. Moment einmal!« Hainchelin stutzte und runzelte die Augenbrauen. »Heißt das Sprichwort nicht, Scherben bringen Glück?«
Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, und plötzlich ahnte Calzabigi, was er vorhatte.
»Tut es nicht!«, flehte er erschrocken und machte zwei große Sätze auf Hainchelin zu.
Doch es war zu spät. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, ließ Hainchelin los. Die Figur schien für einige Sekunden in der Luft zu schweben – und schon hoffte er, dass sie aus irgendeinem magischen Grund nicht dem Sog der Tiefe nachgeben würde. Doch dann raste sie auf den Steinboden zu und zerschlug dort mit einem Krachen, das Calzabigi wie die Explosion bei einem Gewehrschuss erschien. Betäubt blieb er stehen und starrte ungläubig auf die Scherben vor seinen Füßen.
»Warum habt Ihr …«, stammelte er.
Hainchelin hatte sich inzwischen rasch vom Unglücksort entfernt. Plötzlich öffnete sich die Tür, und der König trat ein.
»So ein Malheur!«, rief Hainchelin im selben Augenblick. »Und dann auch noch ausgerechnet die Fortuna. Was für ein übler Scherz des Schicksals! Euch klebt wirklich das Pech an den Händen!«
Verdattert blickte Calzabigi auf den König, der nicht weniger fassungslos die Scherben auf dem Fußboden betrachtete.
»Was für ein Unglücksmensch seid Ihr?«, herrschte der König Calzabigi schließlich an und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Scherben knirschten unter seinem Fuß, als er näher kam.
»Eure Majestät, glaubt mir, ich …«, Calzabigi rang nach Worten.
Rasch trat Hainchelin hinzu, verschränkte die Arme und machte eine unbeteiligte Miene. »Sire, ich kann bezeugen, dass er nichts dafür kann, der Italiener. Gerade wollte er mir dieses Kleinod der Porzellankunst zeigen, da rutschte es ihm vor Aufregung aus den Händen, das Glück, und zerschellte gleich dort, wo er steht.
»Das ist eine infame Lüge! Er war es, der die Figur absichtlich fallen ließ«, brach es aus Calzabigi heraus, als seine Zunge ihm endlich wieder gehorchte.
Der König, der zwischen ihnen stand, wich mit dem Kopf aus, als galt es, einer von vorne kommenden Windböe zu entgehen. Er wandte sich zu Hainchelin, der zum Zeichen seiner Unschuld die Handflächen nach außen drehte, und schaute dann wieder auf Calzabigi, der inmitten der vielen Scherben stand. Friedrich stieß einen lauten Seufzer aus.
»Geht es schon wieder los mit Euch beiden? Zankt Ihr nun wie die Kinder, und das in meiner Gegenwart?«
»Sire, ich …«, begann Calzabigi, der sich rechtfertigen wollte, doch eine energische Geste des Königs ließ ihn verstummen.
»Sollte ich einen Rest Zweifel mit mir herumgetragen haben, so beweist mir dieser Vorfall nur, dass meine Entscheidung, die ich Euch gleich mitteilen werde, die richtige ist. Vielleicht war es tatsächlich das Schicksal, das Euch hier, inmitten des Porzellans, einem letzten Test unterzog.«
Der König wischte verärgert mit dem Stiefel über den Boden, sodass einige Scherben klirrend durch den Raum schossen. Calzabigi und Hainchelin senkten die Köpfe und schwiegen betroffen.
»Vielleicht ist dies sogar der richtige Ort«, sinnierte der König laut. Er nahm eine Tasse von einem der ausgestellten Services und hielt sie vor sich, während er sie langsam zwischen seinen Händen drehte. »Seht, wie wunderschön sie ist, mit ihrer graziösen Form, dem Besatz aus hauchdünnem Blattgold und dem Henkel, der fast zu fein erscheint, als dass man glauben könnte, er würde halten. So anmutig – und doch so zerbrechlich.« Der König brachte die Tasse auf Augenhöhe, als wollte er hindurchschauen. »Und hier unten auf dem Boden ist als Signet das blaue Zepter aufgemalt. Für alles Porzellan der Königlichen Porzellan Manufaktur stehe ich mit meinem Namen.«
Calzabigi nickte, als wollte er zeigen, dass er verstand, obschon ihm nicht klar war, worauf der König hinauswollte. Sein Ärger auf Hainchelin verrauchte nur langsam. Zu gern wäre er seinem heimtückischen Gegner an die Gurgel gegangen.
»Genau wie bei Eurer Lotterie, mein lieber Calzabigi«, fügte der König nun
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