Das Los: Thriller (German Edition)
Verfassung passte. »Ich bin froh, dass wir uns vorher noch einmal unterhalten können. Unter vier Augen.«
Das Lächeln und die Art, wie Fields seine Stimme verschwörerisch senkte, ließ Aurelio aufhorchen. »Ich muss darauf hinweisen, dass ich als Notar Pflichten unterliege. Ich bin allparteilich. Daher denke ich, dass es besser wäre, wir würden uns nicht unter vier Augen unterhalten«, entgegnete er in pflichtgemäßem Ton.
»Besser für wen?«, fragte Fields zurück und fixierte ihn aus wässrigen Augen, deren Ränder leicht gerötet waren.
Aurelio zuckte mit den Schultern. »Besser eben«, sagte er unsicher.
»Auf jeden Fall nicht besser für Sie. Denn ich beabsichtige, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten.«
Aurelio hob abwehrend die Hände, doch Fields schien dies nicht zu bemerken.
»Wir sind die beiden einzigen Geschäftsleute bei dieser ganzen Lotterie«, fuhr er fort. »Schauen Sie auf die anderen. Ein Slumbewohner, eine Pokerspielerin, ein Häftling.« Fields lachte verächtlich. »Ein Sammelsurium abgewrackter Gestalten. Glücksritter, die an Zufälle glauben. Wir beide sind anders.«
Er machte eine Pause, als müsse er kurz Kraft tanken, um weitersprechen zu können. Aurelio verharrte in seinem Sessel und wagte nicht, zu atmen. Er war gespannt, worauf der Amerikaner hinauswollte.
»Lassen Sie uns doch diese ganze Lotterie als eine Art Business betrachten«, schlug Fields vor. »Als einmalige Geschäftschance für uns beide. Verstehen Sie? Auch für Sie.«
»Ich ahne, worauf Sie hinauswollen«, bemerkte Aurelio zögerlich und beugte sich in seinem Sitz nach vorn.
»Ich wäre von Ihnen enttäuscht, wenn Sie es nicht ahnen würden«, entgegnete Fields spitz. Dann legte er seinen Kopf zur Seite. »Können Sie die Ziehung beeinflussen?«
Der Notar starrte sein Gegenüber an. Es dauerte eine Weile, bis er die Bedeutung der Frage verstand.
»Selbst wenn ich es könnte – warum sollte ich?«, entgegnete Aurelio, um Zeit zu gewinnen.
»Es geht immer um einen Anteil von irgendetwas. Liebe, Geld, Ehre. Bei allem. Und natürlich auch hier. Wenn ich gewinnen sollte, wäre ich bereit, Ihnen etwas abzugeben.«
»Ich denke, nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir dieses Gespräch abbrechen sollten. Alles, was ich Ihnen anbieten kann, ist, Ihre Worte für mich zu behalten.«
»Wie man hört, schulden Sie einigen Herrschaften reichlich Geld?«, bemerkte Fields wie beiläufig.
»Das hört man?«, erwiderte Aurelio verdattert.
»Wenn man ich bin, ja«, entgegnete Fields.
Aurelio suchte Halt an der Schreibtischkante. Für einen kurzen Moment schien sein Büro sich zu drehen.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Dottore«, fuhr Fields fort. »Ich habe großen Respekt vor Ihrem Beruf. Aber schauen Sie, das ganze Leben ist ein Spiel. Und leider ist es kein besonders faires. Denn es ist stets völlig unklar, wie die Spielregeln sind. Sicher, vielleicht gibt es einen groben Rahmen. Durch diejenigen, die glauben, sie sind legitimiert, Gesetze zu erlassen. Aber ansonsten spielt jeder, der nur ein bisschen Verstand hat, nach seinen eigenen Regeln.« Fields fasste sich an den Rücken und veränderte seine Sitzposition. Er schien Schmerzen zu haben. »Vertrauen Sie mir, ich weiß, wie man dieses Spiel spielt, andernfalls hätte ich nicht Milliarden Dollar angehäuft.«
Aurelio wollte etwas einwerfen, aber Fields ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Glauben Sie die Gerüchte über meine Fonds nicht. Alles Lügen. Die sind auch Teil des Spiels. Um zu gewinnen – oder um wenigstens nicht zu verlieren –, muss man eines beherzigen in diesem Spiel, das Leben heißt: Spiel nach deinen eigenen Regeln, dort, wo du es kannst.«
Nun machte Fields eine Pause, doch Aurelio starrte ihn nur an und schwieg.
Fields blickte ihn eindringlich an. »Verstehen Sie? Daher meine Frage: Können Sie die Ziehung morgen beeinflussen?«
Aurelio verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse. Sein Blick wanderte zu der weißen Kugel im Aschenbecher vor ihm.
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B ERLIN , 1764
Calzabigi musste tatsächlich kurz eingenickt sein. Als er erwachte, wusste er zunächst nicht, wo er sich befand. Erst der Schreck über die Pistole, die noch immer fest umschlossen in seiner Hand ruhte, ließ die Erinnerung zurückkehren.
Sein Blick wanderte durch das Zimmer, das aussah, als hätten die Husaren darin gewütet. Die Unordnung war ein Sinnbild für sein Leben. Was hatte er sich gemüht für die Lotterie. Erst in Paris, dann in Brüssel und nun hier.
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