Das Los: Thriller (German Edition)
bis heute Abend nicht. Vielleicht ist aber heute Euer Glückstag – und der seine.«
Er wartete ihre Reaktion ab. Da er mit einem Zögern gerechnet hatte, wurde er von ihrer stürmischen Umarmung überrascht.
»Sofort!«, rief Marie begeistert, nachdem sie sich wieder von ihm gelöst hatte. »Ich nehme an! So kann ich meine Ehre retten!«
Kaum hatte er in ihren Augen ein Strahlen ausgemacht, erlosch es auch schon wieder.
»Ich kann nicht«, klagte sie. »Signora Pellegreni wird mich nicht gehen lassen, ohne dass ich meine Schulden beglichen habe, und ich habe kein Geld für die Reise nach Berlin.«
Brea lächelte und hielt den zusammengefalteten Brief in die Höhe. »Signore di Calzabigi bietet Euch fünfzig Louisd’ors für Eure Toilettenbedürfnisse und fünfzig weitere zur Bestreitung der Reisekosten. In Berlin erhaltet Ihr dann die übliche Vergütung für … Eure Dienste.«
Er sah erneut Hoffnung in ihrem Blick aufkeimen.
»Und erlaubt mir, dass ich mich um Eure Schulden bei dieser Signora Pellegreni kümmere«, fügte er hinzu.
Wieder sah er Tränen, dieses Mal als Zeichen der Freude. Er war sich sicher, niemals zuvor eine so hübsche Frau gesehen zu haben.
»Wie kann ich Euch nur danken, mein Herr?«, fragte Marie und griff gerührt seine Hand.
Sein Blick wanderte über ihren unter der Decke verborgenen Körper. Besser, er war der Erste – als jemand anderes.
13
L AS V EGAS
Trisha griff nach der Tube mit der Bodylotion auf ihrem Nachttisch und verteilte eine Fingerspitze auf ihrem Unterarm. Die Wunde war in den vergangenen Wochen gut verheilt, aber eine deutliche Narbe war geblieben. Unter dem feinen Film aus Creme fühlte die Narbe sich ganz weich an, fast wie ein natürlicher Teil ihres Körpers. Es war der erste Abend seit Langem, an dem Trisha kein Poker spielte. Gähnend krabbelte sie unter die Decke und nahm ein Buch vom Nachttisch. Sie hatte sich ein Apartment gemietet. Da es etwas außerhalb von Las Vegas lag, war es nicht nur billig, sondern auch ruhig.
Morgen war es nun soweit: Das Hauptturnier begann. Die »World Series of Poker« bestand aus über vierzig Turnieren, die innerhalb von nur sieben Wochen, alle im Hotel Rio in Las Vegas, ausgetragen wurden. Dreiundvierzig Tage lang wurde an sieben Tagen die Woche gespielt, und kein Turniertag dauerte weniger als zwölf Stunden. Der Sieger eines jeden Turniers hatte wie immer ein goldenes Armband und eine Geldprämie in Höhe von bis zu einer Million Dollar erhalten. Die siebte Woche war bereits angebrochen, und morgen startete nun endlich das Main Event , der krönende Abschluss der alljährlichen Turnierserie: die Weltmeisterschaft im Poker. Mehr als sechstausend Teilnehmer hatten sich angemeldet. Der Sieger würde in diesem Jahr über zwölf Millionen Dollar gewinnen. Zur Teilnahme qualifizierte nicht das Können, sondern einzig und allein das Geld. Zehntausend Dollar Startprämie musste jeder zahlen, der teilnehmen wollte.
Seufzend dachte sie an den Umschlag, den ihr Vater ihr bei ihrem letzten Besuch überreicht hatte.
Trisha hatte in den letzten Wochen an vielen der kleineren Turniere teilgenommen, doch mit Chad schien auch ihr Glück sie verlassen zu haben. Selbst der Anhänger ihrer Großmutter hatte ihr keine guten Karten beschert, und außer einem sechzigsten Platz, der ihr ein paar hundert Dollar einbrachte, gewann sie nichts von den Startgeldern zurück, die für die kleineren Turniere immerhin bis zu zweitausend Dollar betrugen. Schon bald hatte sie das Geld ihrer Eltern anbrechen müssen – immer in der Hoffnung, am nächsten Tag einen großen Coup zu landen.
Und als auch dieses Geld sich dem Ende neigte, hatte es für eine Pokerspielerin wie sie nur noch eine Möglichkeit gegeben, ihre Verluste wieder auszugleichen: Sie musste auf den Strich gehen. So nannten sie es unter den professionellen Spielern, wenn man in der Nacht, nach dem Ende eines Turniertages, nicht nach Hause, sondern in eines der vielen Kasinos auf dem Strip ging, um gegen ahnungslose Touristen Cash Games zu spielen. Mit dem Sonnenuntergang schien ihr Glück wieder zurückzukehren, und so gewann sie Nacht für Nacht in den Kasinos das zurück, was sie am Tage bei den Turnieren verspielt hatte.
Die Nächte waren zum Tag geworden und die Tage zur Nacht. Sobald Trisha im Morgengrauen gegen vier oder fünf Uhr ihren Kopf auf das Kopfkissen bettete, fiel sie sofort in einen komatösen Schlaf, aus dem der Wecker sie erst gegen elf Uhr am Vormittag riss.
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