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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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gerüttelt?«, schimpfte plötzlich die Alte und stürzte zu einer der Winden, um daran zu drehen.
    Mit einem knarzenden Geräusch straffte sich das Seil, und der Junge, dessen Füße am anderen Ende befestigt waren, stöhnte laut auf. Ohne dies zu beachten, ging die Furie dazu über, die anderen Seile zu prüfen.
    »Was haben die Kinder hier getan, dass Ihr sie auf die Folter spannt!«, brach es aus Calzabigi hervor, dem sich bei dem Anblick die Kehle zuschnürte.
    »Sie haben ihr vorgegebenes Gewicht an Wolle nicht aufgesponnen«, bedauerte Madame Toussin seufzend. »Haben geschwätzt, gealbert. Nur nicht gearbeitet. Nun erfahren sie am eigenen Leibe, wie Wolle sich auf der Spindel fühlt. Und seid versichert, das nächste Mal werden sie ihre Vorgaben noch übertreffen.«
    Calzabigi machte zwei große Schritte nach vorn und blieb vor dem ersten Kind stehen: ein Junge von vielleicht neun Jahren, der ihm angestrengt entgegenblickte, als sei er damit beschäftigt, ein schweres Gewicht zu tragen. Auch er baumelte, wie eine Hängematte, gefesselt zwischen zwei Winden. Seine Augen waren glasig, die Adern auf der Stirn und am Hals traten hervor. Calzabigi hob hilflos seine Arme, um sie sogleich wieder fallen zu lassen.
    »Das sind Kinder!«, rief er der Madame zu.
    Diese schüttelte mit einem milden Lächeln den Kopf.
    »Waisen. Vertraut uns. Ich führe dieses Haus seit Jahrzehnten, und der König ist sehr zufrieden mit uns. Viele unserer Waisen werden später Soldaten, und die meisten erhalten Auszeichnungen. Das Leben hat sie kämpfen gelehrt, und wir bringen ihnen hier nun Disziplin bei. Glaubt Ihr, in den Garnisonen geht es anders zu?«
    Calzabigi rang nach Worten. Darüber, was er hier sah, musste er bei Gelegenheit unbedingt mit dem König sprechen.
    Der Junge, vor dessen Tisch er stand, begann plötzlich zu stöhnen. Calzabigi blickte auf die Fesseln, die an den Handgelenken bereits tief in das rohe Fleisch des Jungen schnitten.
    »Madame!«, rief der Junge in bestem Französisch. »Verehrte Madame Toussin!«
    Die Angesprochene kam zu ihnen herüber und baute sich vor dem Knaben auf.
    »Ja, Charles«, sagte sie mit freundlicher, fast warmherziger Stimme, als spräche sie zu ihrem eigenen Kind. Dann richtete sie das Wort an Calzabigi. »Das ist der kleine Charles. Seine Eltern starben bei einem Überfall. Die Räuber hielten ihn wohl für tot. Man hat ihn unter den Leichen seiner Eltern gefunden und hierher gebracht. Er hat großes Glück gehabt. Nachdem wir alles Blut abgewaschen hatten, entdeckten wir, dass es nicht von ihm stammte und er gänzlich unversehrt war. Kaum war er jedoch hier, ist der undankbare Bengel davongelaufen. Gestern erst hat man ihn uns zurückgebracht. Nun soll er lernen, wo er hingehört.«
    Als Calzabigi den Jungen erneut betrachtete, spürte er einen Schmerz in der Herzgegend. Bei näherer Betrachtung schätzte er ihn auf vielleicht zehn Jahre. Welch schreckliche Dinge musste er in diesen jungen Jahren schon erlebt haben!
    »Könnt Ihr mir einen Gefallen tun, Madame Toussin?«, fuhr der Junge in geschliffenem Französisch fort. Allerdings schien ihn jedes Wort über die Maßen anzustrengen.
    »Bist du zur Vernunft gekommen und willst heute noch dein doppeltes Pensum erledigen?« Madame Toussin sprach mit Engelszungen.
    Der Junge schüttelte den Kopf, soweit seine Fesseln es zuließen. »Seid so freundlich, Madame, und dreht die Winde noch ein bisschen fester, damit ich noch mehr gestreckt werde«, ächzte er.
    Die Madame machte sogleich einen energischen Schritt nach vorn und gab dem Jungen eine schallende Ohrfeige, die Calzabigi zusammenfahren ließ.
    »Verhöhne mich nicht! Und erst recht nicht vor unserem hohen Besuch!«, zischte sie zornig.
    Die Hexe trat nun auch zu ihnen und drehte an der Winde. »Das kannst du haben!«, krakelte sie in Richtung des Jungen, dessen Körper sich zwischen den Winden weiter anhob. Er schwebte nun über dem Tisch. Schweiß lief von seiner Stirn.
    »Hört auf, Ihr zerreißt ihn!«, rief Calzabigi erschrocken und griff nach einem der Seile, die hart wie Holz waren.
    »Lasst, Sire!«, röchelte der Junge. »Je mehr sie strecken, umso schneller werde ich groß. Und wenn ich groß bin, komme ich hier raus!«
    Die Hexe drehte das Rad noch ein wenig weiter, und nun schrie der Junge vor Schmerzen auf.
    »Ich nehme ihn!«, brüllte Calzabigi und gab der Canaille einen Stoß.
    Nach einem Moment der Überraschung, währenddessen sie zurücktorkelte, zog sie

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