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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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um und blickte sehnsüchtig zum Hotdog-Verkäufer, vor dem eine kleine Schlange stand. Kurz entschlossen ging Carter dorthin und stellte sich hinten an.
    »Mit allem?«, fragte der Hotdog-Verkäufer mit arabischem Akzent, als er an der Reihe war. Carter nickte.
    Er war wahrscheinlich der Einzige an der Wall Street, der noch kein Smartphone besaß, fuhr es ihm durch den Kopf.

21
    B ERLIN , 1763
    Während er seine vom vielen Klopfen schmerzenden Finger rieb, trat er einen Schritt zurück und suchte die Gebäudefront nach einem anderen Eingang ab; doch der, vor dem er stand, blieb der einzige. Noch einmal prüfte er den oben in das schwere Holz der Tür eingeprägten Schriftzug Maison des Orphelins. Das Haus war also auch das richtige. Er hatte einen Händler, der in seinem Krämergewölbe kleine Waren und Nürnberger Tand feilbot, nach dem Weg gefragt, woraufhin der Mann auf dieses Gebäude gedeutet hatte – genau dorthin, wo die Charlotten- und die Jägerstraße aufeinandertrafen.
    Als er sich gerade zum Gehen wandte, vernahm er hinter der Tür ein Geräusch. Es klang wie das Lösen eines schweren Riegels. Dann hörte er das Drehen des Schlüssels im Schloss. Schließlich öffnete sich ein Spalt, und eine weibliche Person spähte zu ihm hinaus. Sie trug eine weiße Haube. Offensichtlich eine der Dames Directrices , die das Waisenhaus bestellten.
    »Was?«, krächzte sie. Neben ihrem Mund wuchs eine ungeheuerliche Warze. Die ganze untere Reihe Zähne schien zu fehlen.
    »Mein Name ist Antonio di Calzabigi. Ich kündigte mein Kommen gegenüber der Madame Toussin an«, sagte Calzabigi und lupfte seinen Hut.
    Ohne dass die Alte etwas erwiderte, schloss die Tür sich wieder. Dann war das Rasseln einer Kette zu hören, und die Tür schwang endlich auf.
    »Kommt rein!«, sagte das Weiblein und winkte Calzabigi, ihr zu folgen.
    Als er eintrat, drang ein kaum zu ertragender Gestank in seine Nase. Die Luft war feucht und schwer. Zudem war es düster. Kaum hatte er seinen Körper in den schmalen Flur geschoben, schlug die Frau die Tür auch schon wieder hinter ihm zu. Mit großer Mühe drehte sie einen großen Schlüssel im Schloss herum, der anschließend in einer Tasche vor ihrem Bauch verschwand. Dann legte sie laut ächzend einen riesigen Riegel von innen vor die Tür und sicherte diese schließlich mit einer schweren Eisenkette.
    »Wen wollt Ihr am Einbrechen hindern?«, fragte Calzabigi verwundert. Die niedrige Decke verschluckte seine Worte.
    »Am Einbrechen wohl kaum!« Die Aufseherin lachte wie eine Schwindsüchtige. »Am Ausbrechen wollen wir sie hindern!«, kläffte sie und drängte sich an ihm vorbei, wobei er ihre spitzen Knochen an seiner Seite spürte.
    Wieder winkte sie, damit er ihr folgte. Über eine schmale Treppe, deren Stiegen mit lautem Knarren nachgaben, sobald Calzabigi einen Fuß aufsetzte, gelangten sie in das Obergeschoss des Hauses. Dort war es um einiges wärmer. Wieder beförderte das unheimliche Mütterchen einen Schlüssel aus ihrem Rock, diesmal einen kleineren, und schloss eine weitere Tür auf. Dahinter befand sich eine Stube, die mit Kindern vollgestopft war.
    Hatte Calzabigi vielleicht eine Reihe von Betten oder ein Zimmer voller Spielsachen erwartet, stand er nun inmitten einer Armada von Spindeln, an denen schweigend Knaben und Mädchen Wolle aufsponnen. Durch das geschlossene schmale Fenster, vor dem Calzabigi schwere Eisengitter erkannte, fiel nur spärlich Licht, sodass der Raum in einem fahlen Grau erschien. Dies ließ die Gesichter der Knaben und Mädchen noch blasser erscheinen, als sie ohnehin schon waren. Keines der Kinder lachte. Einigen trieften die Nasen und Augen. Calzabigi schaute auf einen Jungen, dessen Hände verkrüppelt waren, der aber dennoch mit erstaunlichem Geschick den Faden sponn. So verstörend die Szenerie ihm auch erschien, noch merkwürdiger war, dass keines der Kinder ihn beachtete. Kein neugieriger Blick ging in seine Richtung. Entweder er oder die Kinder mussten Geister sein.
    Seine Begleiterin hatte zwischenzeitlich auch diese Tür wieder hinter ihnen verschlossen und schritt abermals voran.
    »Dahinten«, raunzte sie mit fauligem Atem und zeigte an das Ende eines schmalen Ganges, der sich durch die Reihe der arbeitenden Horde schlängelte. Dann schlurfte sie voran. Im Vorbeigehen schlug sie dem einen oder anderen Kind mit der flachen Hand auf den Hinterkopf oder zerrte an der Wolle. Jede dieser Handlungen wurde begleitet von gefluchten Aufforderungen,

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