Das Los: Thriller (German Edition)
Trisha hervor. Sie waren bereits zwei Stockwerke hochgestiegen.
»Tot?«, wiederholte Chad ungläubig. Nun hatte er sich aus ihrem Griff befreit und schloss zu ihr auf.
»Gib mir den Koffer«, sagte Chad und hielt ihr die Hand entgegen.
Trisha gehorchte. Endlich hatten sie ihre Etage erreicht.
»Nicht mehr laufen«, röchelte Trisha.
Kaum hatten sie den Flur betreten, bemühten sie sich, ihren Schritt zu verlangsamen. Laut atmend umrundeten sie eine Ecke. Ein Pärchen kam ihnen vom Ende des Ganges entgegen. Trisha griff nach Chads Hand und drückte sie fest. Trotz des Wunsches, rasch in ihre Suite zu gelangen, zwangen sie sich zu einem normalen Schritttempo.
Als sie aneinander vorbeigingen, grüßte die Frau freundlich, was Trisha mit einem Murmeln erwiderte. Nachdem sie einige Meter zurückgelegt hatten, drehte Trisha sich um. Auch die Frau hatte sich umgedreht, wandte ihren Kopf jetzt aber schnell ab.
Plötzlich wurde Trisha von Chad gegen eine Zimmertür gedrückt. Erst auf den zweiten Blick erkannte Trisha, dass es die ihre war. Mit einem Summen öffnete sich die Tür, und beide fielen ins Zimmer. Sofort sank Trisha auf den Boden und begann, wie ein Kind zu wimmern. Chad stellte den Koffer ab und legte ihr seine Hand auf den Rücken.
»Wir müssen die Polizei rufen«, schluchzte Trisha.
»Erst einmal musst du dich beruhigen«, erwiderte Chad. Er griff unter ihre Achseln, zog sie hoch und drückte sie an sich.
»Er lag da. Tot. Alles voller Blut!«
»Alles wird gut«, sagte Chad und streichelte ihr beruhigend über die Haare.
Eine Weile verharrten sie so. Chad führte sie langsam zum Sofa. Aus einer Flasche, die vor ihnen auf dem Tisch stand, schenkte er ihr ein Glas Wasser ein. Dann setzte er sich ihr gegenüber hin und legte die Arme auf die Beine. Er betrachtete Trisha, die das Gesicht in ihren Händen vergraben hatte.
»Bist du sicher, dass er tot ist?«, fragte er.
Trisha nickte und ergriff das Glas Wasser. Es zitterte in ihren Händen, während sie hastige Schlucke nahm. Sie reichte Chad das Glas.
»Schau, ich habe dich auch ganz blutig gemacht!«, schluchzte Trisha und zeigte auf die Hose und die Hände von Chad, an denen nun auch Blut klebte.
»Das macht nichts«, antwortete er mit sanfter Stimme. Er stand auf und setzte sich neben sie. Sofort legte sie ihren Kopf an seine Brust.
»Wir müssen zur Polizei gehen«, flüsterte Trisha. »Die suchen mich jetzt bestimmt.«
»Und wenn sie glauben, dass du ihn getötet hast?«, entgegnete Chad vorsichtig. Kaum hatte er das ausgesprochen, wurde Trisha von einem neuen Weinkrampf geschüttelt, und er drückte sie fest an sich, um ihr Halt zu geben.
»Was ist in dem Aktenkoffer?«, fragte Chad, als sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Keine Ahnung. Ich weiß es nicht«, schluchzte Trisha. »Den hat er mir gegeben, bevor er starb.«
»Gegeben?«, wiederholte Chad und runzelte die Stirn.
»Und er hat … er hat …« Trishas Stimme wurde von den Tränen erstickt.
»Was?«, fragte Chad.
»Er hat etwas zu mir gesagt. Ich konnte ihn nicht richtig verstehen. Überall war … war Blut.«
»Was hat er gesagt?«, hakte Chad nach.
»Ich bin nicht sicher.«
Durch das geöffnete Fenster drang von draußen Sirenengeheul in das Zimmer.
»Wir sollten uns waschen«, sagte Chad und erhob sich. »Und dann warten wir ab, bis der Spuk sich gelegt hat, und schauen, was in dem Koffer ist.«
»Chad, er ist tot. Tot! Tot!«, kreischte Trisha.
Chad setzte eine Miene des Bedauerns auf und zuckte mit den Schultern. »Eben.«
33
P OTSDAM , 1763
»Die Rampe!«, rief der Kutscher. In seiner Stimme schwang Respekt, aber vor allem auch Angst mit. Ein lautes »Brr« stoppte die Gäule. Kaum war der Wagen zum Stehen gekommen, ließ das Knallen der Peitsche die Pferde aus dem Stand wieder lospreschen.
Das Vorderteil des Wagens hob sich gen Himmel, und Calzabigi wurde in den Sitz gedrückt. Für einen Moment befürchtete er sogar einen Überschlag des Kutschkastens. Für den letzten Abschnitt des Weges hatte Calzabigi sich am Morgen eigens einen Vierspänner mieten müssen. Nur die Kraft von mindestens vier Pferden schaffte den kurzen, aber steilen Anstieg hinauf zum Eingang des Schlosses. Calzabigi wollte sich die Schmach ersparen, weiter unten anhalten zu müssen und die Sommerresidenz des Königs zu Fuß zu erreichen.
So entstieg er dem Fuhrwerk mit stolzer Haltung direkt vor der großen Fenstertür, an der zwei Lakaien ihn empfingen. Während der eine sich um sein
Weitere Kostenlose Bücher