Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
ich war im Vorteil.
Wenn man als Schauspieler auf der Bühne plötzlich den Text vergisst, kann man die Zeit des Überlegens mit Gesten irgendwie überbrücken – Gesten, die auch den Kollegen anzeigen: Achtung, ich hänge! Die Souffleuse tuschelt aus ihrem Kasten heraus, das Publikum muss davon nicht unbedingt etwas mitbekommen. Bei einem Musikstück hat man keine Chance: Die Band spielt weiter, der Rhythmus fließt, man kann nicht einfach einen Stopp einlegen. Es sei denn, man sagt: »Moment mal, ich hab den Text vergessen, wir fangen noch mal neu an.« Das machen Profis aber gewöhnlich, sie übersingen mit Floskeln, bis sie den Faden wiedergefunden haben. In einem Duett, bei dem es Textanschlüsse gibt und ein bestimmtes Timing, ist das nicht möglich.
Zum Glück reagierten die Grimmaer auf den Hänger nicht verärgert, sie freuten sich einfach über unseren gemeinsamen Auftritt. Auch Ulli steckte die Sache gut weg. Im Nachhinein waren wir uns nicht mal sicher, ob der Schnitzer überhaupt aufgefallen war. Ich glaube nicht, das Publikum freute sich über die Geste, die in unserem gemeinsamen Duett lag. Für mich war es eine schöne Begegnung.
Die Firma Buschfunk hatte Interesse an einer Weihnachts-CD von mir, denn Weihnachten ist jedes Jahr und verspricht, wenn der Titel ein »Klassiker« wird, viele Jahre Verkauf. Ich stöberte alte Klassiker durch wie »Stille Nacht« oder »Bald nun ist Weihnachtszeit« und suchte nach Texten und Melodien, die zu mir passen könnten. Ich stattete sogar dem ehemaligen Intendanten des Friedrichstadtpalastes, Sascha Illjinski, einen Besuch ab, der sich mit »Weihnachtsmaterial« bestens auskannte. Er gab mir gute Tipps für internationale Songs. So kam ich auf »Ruhe und Stille«, ein Lied aus Norwegen und »Schlafe, mein kleiner Sohn« aus Polen. Zwei wunderschöne Lieder, die Gisela auf deutsch betextete. Für die musikalische Umsetzung sollte Andreas zuständig sein.
Im Januar nahmen wir auf. Weihnachten war längst vorbei; damit wir in Stimmung kamen, hängte Andreas ein paar Weihnachtskugeln im Studio auf. Nur das Gebäck, das er anbot (sicher noch übrig geblieben vom letzten Fest) wollte keiner von uns mehr essen. Irgendwie hat man das über – noch ehe Weihnachten kommt, hat man schon so viele Kekse und Lebkuchen gegessen, dass man an Heiligabend kaum noch einen Bissen davon herunterbekommt. Geschweige denn im Januar.
Die Weihnachtsstimmung konnten wir trotzdem überzeugend herstellen. Die CD unterscheidet sich angenehm von anderen Produktionen, von klassischen Interpretationen genauso wie von billiger Schnellkost. Aus alten, traditionellen und teils vergessenen Liedern entstanden neu arrangierte Stücke, die dennoch ihre Herkunft nur vage verrieten. Sogar Benjamin ließ sich von meiner Begeisterung anstecken und sang mit mir im Duett »Lasst uns froh und munter sein«. Ich war überrascht, mein Sohn steht sonst gar nicht gern in der Öffentlichkeit. Das ging 2007 noch, heute kann ich mir das nicht mehr vorstellen.
Als alles im Kasten war, hatte ich erst mal genug von Weihnachten – bei aller Vorfreude auf die Veröffentlichung ein paar Monate später.
Nach diesen winterlichen Themen wollte ich mich wieder einem »klassischen« Veronika-Fischer-Album zuwenden, auch um mir die Gunst der Medien nicht völlig zu verscherzen. Die verschiedenen Genres sollten sich diesmal verbinden: ein paar möglichst formatgerechte Songs für die Medien, denn ohne Erfolg kann man in meinem Metier nicht leben, dazu aber durchaus auch Lieder und Chansons.
Ich machte also wieder die Runde bei meinen Autoren. Andreas schrieb die Melodie zu »Sommerbild« mit einem Text von Erwin Berner. Franz steuerte ein Lied der alten Klasse bei, das »Luftballonlied«, Text wieder Erwin. Erwähnen möchte ich noch kurz die tolle Komposition von Kuno: »Der mondhelle Asphalt«, Textbearbeitung von Gisela, Grundidee von Gerulf. Wir arbeiteten konzentriert und sorgfältig, Andreas produzierte aufwendig und bis ins letzte Detail stimmig. Ein unerhörter Luxus bei den Produktionsbudgets, die uns zur Verfügung standen.
Die CD Unterwegs zu mir erschien 2008 und war eine reife Leistung.
Wie in all den Jahrzehnten war und blieb ich unterwegs. Manchmal mit den gleichen inneren Schwungrädern wie als ganz junger Mensch, manchmal von den bleischweren Erkenntnissen des zunehmenden Alters gebremst.
Ein Schock war der plötzliche Tod von Franz Bartzsch im Januar 2010, ganz in meiner Nähe starb er am Steuer
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