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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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Kulturhausbühnen genauso gewachsen war wie den Festivals mit ihren mehreren zehntausend Zuschauern –; und die den aufmerksamen, eher intellektuell geprägten Studentenkreisen genauso genügte wie den Massen, die feiern und Musik einfach nur genießen wollten. Es bildete sich mit meinem Mann László, mir und der Band ein selbstgeführtes Unternehmen, das »Veronika Fischer und Band« beweglich halten und dafür sorgen sollte, dass wir national und, soweit uns das möglich war, auch international unterwegs sein konnten. Dazu kam eine Beschallungsanlage, die László und mir gehörte und die er mit unseren Technikern so betreute und einsetzte, dass unsere Band an jedem Ort der uns erreichbaren Welt möglichst so klang, wie es der Vorstellung dieser Zeit entsprach.
    Und es kam mit Franz Bartzsch, Kurt Demmler und mir ein Autorenteam zusammen, eine Pop-, Chanson- und Liederschmiede, die in den Siebzigern zumindest in der DDR ihresgleichen suchte.
    Wir waren in dieser Zeit keinen Tag faul. Die Welt drehte sich schnell für mich damals, alles schien möglich. Als wir anfingen zu proben, hatten wir schon den Auftrag, in der Berliner Nalepastraße ein paar Stücke für den Rundfunk der DDR aufzunehmen. Die Radioproduzentin Luise Mirsch versprach sich von der künstlerischen Verbindung zwischen Franz Bartzsch und mir offenbar gute Anregungen für die aufkeimende Beat- und Rockszene im Land. Auch wenn wir also zurückgezogen, scheinbar anonym und von der Hand in den Mund lebend unser Programm erarbeiteten, wussten wir uns doch wohlwollend beobachtet und mit positiven Erwartungen belegt.

    Um das Geflecht der Ereignisse, die dann anfingen, sich zu überschlagen, nicht noch dichter wachsen zu lassen, möchte ich hier die wichtigsten Teilhaber an unserem Projekt Veronika Fischer & Band vorstellen.
    Über Franz Bartzsch redeten damals alle Musiker, doch erst mit den ersten Hits wurde er auch einem breiteren Publikum bekannt. Franz wurde 1947 in Schmölln als jüngerer von zwei Brüdern geboren und wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Er glaubte, dass die Mutter den Älteren (einen hervorragenden Mathematiker) mehr liebte als ihn; das Gefühl, nicht richtig wahrgenommen zu werden, war eines aus Kindertagen, das ihn durch sein ganzes Erwachsenenleben begleiten sollte. Er brauchte viel Aufmerksamkeit. Damit war er gewiss nicht allein, aber bei ihm schien der Wunsch nach Zuwendung besonders groß zu sein. Je länger wir uns kannten, desto besser konnte ich schon an seiner Körpersprache ablesen, wie er gerade drauf war. Apropos Körpersprache: Mit seinem Äußeren war er natürlich auch nur selten zufrieden. In unserer Anfangszeit trug er sein welliges hellblondes Haar etwas länger, Hippie-Look eben, ab und zu versuchte er sich an so etwas wie einem Bart. Er war 1,84 Meter groß und strahlte Kraft aus. Wenn er einen Raum betrat, nahm man ihn sofort wahr, er zog die Blicke auf sich durch seine Aura, er liebte die Mädchen und sie ihn. Spätestens, wenn er musizierte, verfielen sie ihm.
    Franz war humorvoll und machte sich gern mit uns gemeinsam über den sächsischen Dialekt lustig – er als Sachse durfte das. Er lachte gern und herzlich und begegnete anderen Menschen mit Empathie. Gleichzeitig sollte die Welt sich aber dann doch vor allem um ihn selbst drehen, das genoss er. Alles Sinnliche: gutes Essen, ein schönes Glas Rotwein, hin und wieder eine Zigarette – und Mädels.
    Franz war eine eigenwillige Persönlichkeit, ein Mensch mit Brüchen, jedoch ein Musiker der Extraklasse. Die Musik war seine Berufung. Er gehört für mich im Rückblick zu den stärksten Komponisten, die mich je begleitet haben. Ich bin sogar der Meinung, dass seine kompositorische Leistung in den Siebzigern deutschlandweit einzigartig war.
    Mein Glück war, dass er sich als Komponist noch im Werden befand, als wir uns kennenlernten. Franz war genau wie wir anderen noch auf der Suche, probierte sich ständig aus. Von der Erfahrung, wie vorteilhaft eine Crew bei der Umsetzung einer Komposition sein kann, konnte er später, als er von zu Hause aus für verschiedene Künstler arbeitete, zehren. In Franz hatte ich einen großartigen Musiker an meiner Seite, einen durchsetzungsfähigen Bandleader und einen vor Ideen sprühenden Kreativpartner – alles in einer Person.
    Die Grundlage seiner Kompositionen war das Piano. Klavierspielen hatte er in Berlin an einer Spezialschule in Friedrichshain studiert. Aus dieser Werkstatt kamen viele begabte

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