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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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wir nicht überall so freundlich aufgenommen wurden. Dort waren und blieben wir »die Deutschen«. Wir wurden für etwas in Haftung genommen, was nichts mit unserer Arbeit zu tun hatte und auch nichts mit unserer Generation. Hier in Rumänien waren solche Ressentiments weniger spürbar, vielleicht weil das Land während des Krieges mit dem faschistischen Deutschland verbündet gewesen war. Am stärksten empfand ich diese Ablehnung in der Tschechoslowakei, aber in Abstufungen trafen wir sie überall da an, wo der Zweite Weltkrieg besonders heftig gewütet hatte.

    Unsere Tour hatte in Bukarest begonnen, und dort endete sie auch wieder. Eile war geboten, denn schon am übernächsten Abend stand ein Auftritt in Dresden an. Während meine Kollegen mit dem Flieger zurück nach Berlin flogen, war ich diesmal als Fahrerin einer der Busse eingeteilt. Für die lange Fahrt an einem Stück musste am Steuer gewechselt werden. Ecke hatte sich bereit erklärt, Tibi während der Fahrt wach zu halten (er selbst hatte keinen Führerschein), im anderen Bus saßen László und ich. Während einer fuhr, versuchte der andere hinter dem Fahrersitz etwas Schlaf zu finden. Gut, dass meine Mutter nicht wusste, was wir uns so alles zumuteten!
    Quer durch die Karpaten ging es auf den dazugehörenden üblen Serpentinen. Selbst mit einem heutigen Wagen sind sie kein Vergnügen, aber mit dem Barkas waren sie es zweimal nicht. Um den Bus mitsamt seiner Ladung zu bändigen, ihn also beim Bergabfahren in scharfen Kurven mit dem Gewicht im Rücken in einer angemessenen Geschwindigkeit zu halten, musste ich mit vollem Körpereinsatz arbeiten. Viel entgegenzusetzen hatte ich nicht, ich war ein dünnes Hemd und wog damals gerade 55 Kilo bei einer Größe von 1,70 Meter. Die Fahrt war wahnsinnig anstrengend und verlangte höchste Konzentration. Wenn ich mir vorstellte, dass ich ein paar Stunden später schon wieder auf der Bühne stehen sollte, wurde mir ganz übel. Ohne nennenswerten Schlaf und körperlich am Ende. Ich hatte mal wieder nicht bedacht, auf was ich mich eingelassen hatte, aber wie sollte ich das vorher ahnen. Später schaute ich genauer hin.
    Tibi, unserem guten ungarischen Techniker, erging es noch schlechter – er musste die Strecke ja ganz allein fahren, und Ecke, dem »Wachhalter«, fielen zwischendurch immer wieder die Augen zu. Ich möchte Tibi und einigen seiner Technikerkollegen an dieser Stelle nachträglich ein großes Kompliment aussprechen. Wie schnell wussten sie immer Rat, wenn in den sozialistischen Ländern die Technikwelt wieder einmal einstürzte! Wie viele aussichtslos erscheinende Situationen haben sie gerettet! Der pure Wahnsinn, wie sie über Nacht einen Verstärker oder ein Instrument reparierten, damit wir am nächsten Abend wieder aufspielen konnten. Ohne eine Mütze Schlaf mussten sie am Morgen weiterfahren, anschließend mit dem Aufbau beginnen, das Konzert betreuen… Wenn Defekte auftraten, mussten sie mit dem Vorhandenen zaubern, denn Spezialgeschäfte, um elektronische Ersatzteile nachzukaufen, gab es weder bei uns noch in den anderen Ländern des Ostblocks. Was die »Beatbands« – immerhin Publikumsmagneten für Hunderttausende in jedem Land – für einen reibungslosen Betrieb alles benötigten, darüber wusste niemand Bescheid, die Wirtschaftspläne waren nicht darauf eingerichtet, und den Verwaltern und Kulturbeauftragten waren solche Dinge im Allgemeinen herzlich egal. Was tun, wenn sich etwa von Land zu Land die Stromspannung änderte? Die Technik und die Instrumente konnten auf offener Bühne kollabieren. Zum Glück wusste Tibi immer Rat, unsere Instrumente litten nicht.
    Und nun hockte dieser unerschütterlich mutige Mann in einem Bus, kaum Erfahrung mit Autos, ein absoluter Führerscheinneuling und steuerte das dicke Gefährt durch die Karpaten. Eine weitere Meisterleistung. Ich darf gar nicht daran denken, was alles hätte passieren können – unsere Schutzengel hatten alle Hände voll zu tun!
    Wir waren einigermaßen sicher durch die Serpentinen geschlingert, lagen sogar noch im Zeitplan, als es mal wieder Zeit für eine kleine Pinkelpause war. Wir befanden uns im Böhmischen Wald (Ecke sprach immer vom Böhmerwald), noch auf tschechoslowakischer Seite, nicht weit von den Grenzübergangsstellen Bad Schandau und Zinnwald entfernt. Welchen der beiden Übergänge wir ansteuern sollten, diskutierten László und Tibi während der Pause. Sie entschieden sich für Bad Schandau, weil das näher an

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