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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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ausrichten konnten, und zeigte uns prompt wegen Nötigung bei der Polizei an. Die stattete uns nach unserem Konzert einen Besuch ab und nahm Franz und László mit aufs Präsidium. Wir waren in heller Aufregung.
    Die beiden mussten eine Nacht absitzen und kamen erst am nächsten Tag zu uns ins Hotel zurück. Die Polizei ordnete den Vorfall unter der Rubrik »Aussage gegen Aussage« ein, wir konnten ja nicht beweisen, dass der Techniker das Geld tatsächlich geklaut hatte. Außerdem ging es um Ost gegen West, da wollte man besser keinen Staub aufwirbeln und beließ es dabei. Es gab viele ungeklärte Angelegenheiten zwischen den beiden deutschen Staaten.
    Ich musste nach dem Abgang des Technikers noch in das Präsidium der Volkspolizei und Untersuchungshaftanstalt in der Keibelstraße zum Verhör. Immer hatte ich als Kopf der Band Rechenschaft abzulegen, warum wer was machte. Aber kein einziges der Mitglieder weihte mich jemals in seine geheimen Absichten ein. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, es wäre viel zu gefährlich gewesen, denn Eingeweihte, die ihre Infos nicht an die staatlichen Stellen weitergaben, konnten Probleme bekommen.
    Immer mehr wurde ich verantwortlich für alle Mitglieder meiner Band und deren private Entscheidungen. Selbst das wurde in ideologische Zusammenhänge eingebunden. Für mich war es eine zusätzliche Belastung, neben allen anderen sozialen Verpflichtungen auch noch diese Verantwortung zu tragen.
    Ich wurde also vorgeladen und erschien zum vereinbarten Termin in der Keibelstraße. Dort nahm mich ein Beamter der Staatssicherheit in Empfang, geleitete mich durch unzählige Gänge und ebenso viele Kontrollen bis zur Tür des Vernehmungsraums. Ich fühlte mich wie eine Kriminelle. Dieser Raum war weiß gestrichen und spärlich möbliert, er wirkte eher wie eine kleine Zelle. Ein Schreibtisch, hinter dem der Beamte saß, davor ein Stuhl für den Vorgeladenen. Das ganze Szenario sollte einschüchtern, den zu Verhörenden kleinmachen, damit der Stasibeamte, ein geschulter Mann, in aller Ruhe darangehen konnte, sein Gegenüber mürbe und damit gefügig zu machen.
    »Frau Fischer, Sie sind vorgeladen worden, weil Herr X, Bürger der DDR, sich während einer Tournee von Ihnen und Ihrer Band abgesetzt hat. Haben Sie nicht bemerken können, dass der Bürger X das beabsichtigte? Sie müssen doch wissen, was Ihre Kollegen vorhaben!«
    »Wie hätte ich das wissen können? Ich kenne Herrn X nicht gut genug, ich bin nicht so gut mit ihm befreundet, dass ich über private Vorhaben informiert worden wäre.«
    »Was haben Sie unternommen, um das zu unterbinden?«
    »Wie sollte ich etwas unterbinden, von dem ich nichts wusste?!«
    »Sie müssen doch wissen, was in Ihrer Band vorgeht!«
    »Das weiß ich musikalisch.«
    So ging es eine ganze Weile hin und her, es war deprimierend, so behandelt zu werden, aber ich versuchte, mich so gut wie möglich zu schlagen. Am Ende hatte ich das Protokoll zu unterschreiben.
    Auch später noch musste ich mehrmals dort antreten, und zwar nachdem Franz in Westberlin geblieben war.
    Der Abgang unseres Technikers war im Nachhinein betrachtet, wie ein Vorspiel zu den wachsenden Versuchen der Stasi, Einfluss auf unsere Crew und mich als Vorbild der Jugend im Land zu nehmen.
    Wer in den Westen ging, machte sich keine Gedanken darüber, was die Zurückgebliebenen auszustehen hatten. Man konnte nicht auch noch bedenken, dass sie als Verräter verdächtigt wurden. Das war traurig für die Familien, die geradestehen mussten für die Flucht ihrer Verwandten.
    Mir ging die politische Überzeugung, der Glaube an die Vorteile eines realen Sozialismus, zunehmend verloren, ich hatte ein humanistisches Menschenbild. Der Umgang mit der Stasi veränderte meine Einstellung zum Staat und meine politische »Unschuld«. Ich erkannte, dass sich das Problem menschlichen Versagens im Sozialismus nicht auflöst. Der Mensch wird nicht auf Anordnung besser.
    Vom Bestreben, das Leben der Menschen zu verbessern, bleibt am Ende nur blinde Machtausübung übrig. Macht verändert Menschen. Das ist leider überall so, unter wechselnden Überschriften.
    Ich machte eine Veränderung durch, eine schwierige Zeit. Ich ahnte jetzt auch, wie es im Westen sein würde. Ich erwartete keine bessere Welt. Vielleicht etwas mehr Liberalität trotz Kapitalismus.

    Für die Westdeutschen waren wir auf unserer ersten Tournee ein bisschen wie Aliens von einem anderen Stern, aber wir wurden großartig aufgenommen von einem

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