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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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ersichtlich wurde, jedenfalls sagte ich eines Abends zu ihm: »Lieber Axel, so richtig nett bist du nicht mehr anzuschauen, Protest hin oder her!«
    Ich hatte dann noch das zweifelhafte Vergnügen, an einem Jugendtreffen der FDJ und der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft in Wolgograd teilzunehmen. Egon Krenz, Mitglied des Zentralkomitees der SED und Erster Sekretär des Zentralrates der FDJ, war eigens angereist und hatte darauf bestanden, dass ich ihn zu dieser Versammlung begleitete. Damit ich mit meiner Anwesenheit seinen Vortrag und damit die Ideologie der DDR unterstützte.
    Begeistert war ich nicht. Was hatte ich dort zu suchen? Was verlangte die Politik uns Künstlern ab? Ich trabte mit, ohne mich dafür entschieden zu haben. Krenz hatte gar nicht gefragt, sondern es eingefordert. Das Einheits-Beschönigungs-Gelaber, dieses spezielle SED-Vokabular mochte ich überhaupt nicht. Es war weder meine Sprache noch mein Verständnis. Und bei der Sitzung war ich lediglich dekoratives Beiwerk, hatte nicht den geringsten Einfluss. Mich nervten solche Veranstaltungen, ich fühlte mich völlig fehl am Platz. Aber das war der Preis für die Tür in den Westen. Der Preis für etwas mehr »Freiheit«.
    Die erste Tournee im Westen
    Bevor es dann endlich in den Westen ging, wollten wir noch ein neues Album einspielen. Pianist Pitti komponierte fleißig drauflos, Gitarrist Axel und ich versuchten uns auch darin, oft gemeinsam. Kurt Demmler war gut drauf und unterstützte mich bei diesem Unterfangen. Es entstanden schöne Texte wie »Die Nacht mit dem kleinen Kummer«, »Aufstehn« oder »Meiner Schuhe Ausgang«, die Kurt alle in bemerkenswertem Tempo schrieb. Aber ich war verwöhnt durch Franz und meine »alte« Band und kompositorisch nicht rundum zufrieden. Die LP sollte an die Klasse der vorangegangenen Alben anschließen, die Vorgabe war hoch. Deshalb suchte ich einen professionellen Komponisten, der die Ideen arrangieren und natürlich auch grundsätzlich Neues hinzufügen sollte. Ich fragte Thomas Natschinski. Schon sein Vater war Komponist gewesen und Thomas die Musik sozusagen in die Wiege gelegt worden. Er selbst hatte ganz solide Komposition studiert, was eher selten im Popgeschäft ist, und konnte bereits einige große Erfolge vorweisen, besonders bei der musikalischen Umsetzung von deutschen Texten. Er war Bandleader gewesen, unter anderem bei Brot und Salz oder Team 4 und hatte für verschiedene Sänger gearbeitet. Ein »alter Hase« sozusagen, obwohl er nur ein paar Jahre älter ist als ich.
    Thomas sagte zu und steuerte gleich drei neue Songs bei. Einer davon – »Hast Du einen Freund« – stürmte nach der Veröffentlichung schnell die Hitparaden. Und natürlich arrangierte Thomas für uns. Es war eine große Erleichterung, ihn als kreativen Kopf dabeizuhaben; außerdem war er ein feinfühliger, entgegenkommender Mensch, ein erwachsener Musiker. Es gab keinen Stress bei der Arbeit.
    Auch Franz schrieb als Auftragskomponist zwei Lieder für uns: »Sommer unter Freunden« war unser Beitrag zum Jugendfestival der sozialistischen Länder 1978 in Kuba. Ich war vom Text nicht überzeugt, weil es mich störte, schon wieder in die Pflicht genommen zu werden. Aber die Melodie sang sich schön. Und er lieferte einen Song, der bis heute ein Hit ist: »Weihnachten wieder daheim«.
    Im Hauptstudio der einzigen Plattenfirma der DDR, Amiga, in der Brunnenstraße ergab sich eine ungewöhnliche Aufnahmesituation. Es war Sommer, und ich wollte das weihnachtliche Lied auf Band bringen. Damals gab es noch Cutter, Spezialisten, die die aufzunehmende Musik mitschnitten und bei Fehlern korrigierten. Ich stand in einem separaten Aufnahmeraum, damit keine Nebengeräusche die Aufnahme stören konnten – das Mikrofon war vom Regieraum durch eine große Glaswand getrennt. Direkt hinter der Glaswand stand das Bandgerät, dahinter die Cutterin und wieder dahinter standen der Tonregisseur Helmar Federowski und Franz. Die Musiker waren schon nach Hause gegangen, ihr Part war erledigt.
    Ich sang und hörte die Ratschläge meiner Partner von nebenan. Wir konnten uns gut sehen. Meistens wiederholt man ein paarmal, bis die beste Klangeinstellung für die Stimme hergestellt ist. Langsam war ich trotz Sommertag in der Lage, eine Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Das Thema war, dass man nur einmal im Jahr nach Hause zu den Eltern fahren kann, um das Fest des Jahres gemeinsam zu verbringen, eine berührende Geschichte mit Bachtrompeten und großem

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