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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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Dauersängerin, nach einem zweistündigen Konzert mit ununterbrochenem Einsatz brauche ich eine Erholungspause.
    Organisatoren verstehen davon meistens nichts.
    Liebe junge Kollegen, fordert ein, was für euch richtig ist. Nur der Sänger selbst kann einschätzen, wie belastbar er ist!
    Für den Flug und die Reise wurden die bereits vorhandenen Kisten wieder mit aller Technik beladen. Speziell für diese anstrengende Tour »kaufte« László einen zweiten Techniker in Ungarn ein, Michi, der wie vorher Tibi ein Technikfreak war. Für Tibi kamen diesmal Rainer und Jochen dazu, notwendige Hilfen. Es sollte sich herausstellen, wie wichtig auch Michi für die Unternehmung war.
    Wir bekamen Tipps von anderen Kollegen, die solche Touren schon gemacht hatten . Uns allen war klar, dass es eine anstrengende Reise werden würde, weil die technischen Bedingungen in der Sowjetunion Gewöhnung und Demut verlangten.
    Unser Tross bestand aus den vier Musikern Pitti, Axel, Peter, Jäcki, dann László mit den drei Technikern und mir, der Sängerin, dazu kam diverses Gepäck. Die drei Techniker waren zuständig für Ton, Licht, Backstage, Aufbau der Instrumente und Zuarbeit für die Musiker – László hatte genug anderes zu tun.
    Die Kisten wurden im Laderaum der Interflug Richtung Moskau verpackt, wir nahmen in den Passagiersesseln Platz, und die Reise ging los. Ich war ziemlich aufgeregt, es gab kein Zurück mehr.
    Wir kamen Anfang Oktober in Moskau an. Ein schöner goldgelber Herbst, ich habe noch Fotos von unserem Stadtspaziergang.
    Am Abend fand das erste Konzert im RGW-Gebäude statt, dem bevorzugten Veranstaltungssaal der Agentur zum Auftakt aller Tourneen. Bisher kannte uns dort niemand. Ich machte meine Ansagen auf Russisch und sang ein beliebtes russisches Lied, in dem es um ein Krokodil ging. Zwar mochte ich es nicht besonders, aber als Entgegenkommen funktionierte es prima, die Menschen waren begeistert.
    Die Premiere wurde sehr herzlich aufgenommen, alle im ausverkauften Haus waren glücklich.
    Danach gab es eine Begrüßungseinladung von der russischen Künstleragentur GOS-Konzert. Es wurden Ansprachen gehalten. Da unser Trommler Peter Grönig Russisch viel besser frei sprach als ich mit meinem Schulrussisch, überließ ich ihm diesen Part, und er bedankte sich in unserem Namen für die wunderbare Aufnahme. Es gab reichlich Wodka in großen Gläsern, das war mir nicht geheuer. Hinter meinem Sitz stand zum Glück eine Grünpflanze, in die ich heimlich die Gläser leerte. Ob sie es überlebte?
    Und die Fliegen erst, die darauf herumkrabbelten?
    Zu Beginn solch einer Mammuttour durfte ich keinesfalls meinen Körper überfordern, Alkohol schwächt, und Disziplin ist das oberste Gebot, spätestens bei solch einem Trip.
    Bedauerlicherweise musste Jäcki, der Bassist, die halbe Tour ohne Verstärker spielen, denn seine Box war an einer falschen Stelle des Moskauer Flughafens gelandet. Er stöpselte sein Instrument in der PA ein, weshalb die Tongebung unbefriedigend war.
    Man konnte ja nicht eben mal einen Verstärker anmieten, das gab es im Sozialismus nicht. Aber das russische Publikum war dankbar, bemerkte den Ausfall kaum.
    Für die Fahrten zu den einzelnen Orten und Städten benutzten wir unterschiedliche Beförderungsmittel: Bus, Bahn oder Flugzeug. Die Technik wurde auf einen offenen Lkw geladen, mit einer Plane bedeckt und so auf die Reise geschickt. Dabei konnten sich die Instrumente verstimmen, und besonders schädlich war Feuchtigkeit. Das gefiel uns nicht. Mit holprigen Straßen hatten wir gerechnet, aber nicht mit einer offenen Ladefläche. Jetzt wurde Michi eine echte Perle für uns. Er beaufsichtigte unsere Anlage die ganze Reise über und nahm, während wir bequemere Verkehrsmittel nutzten, mit einem landeskundigen Fahrer die riesigen Strecken auf sich, mit dem Lkw von Moskau bis nach Südrussland zum Kaspischen Meer. Ganze Nächte fuhr er auf den russischen Straßen, wenn das nächste Konzert bereits am Tag darauf stattfand. Ohne Pause kümmerte er sich dann auch noch um den Aufbau. Außerdem reparierte er stundenlang Instrumente, damit wir spielfähig blieben. Michi war unersetzlich und dabei ein äußerst bescheidener Mensch.
    Die Bedingungen, unter denen wir damals arbeiteten, sind heute unvorstellbar. Die Ansprüche aller Beteiligten sind inzwischen gestiegen.
    Die Reise ging weiter nach Grosny in Tschetschenien im Nordkaukasus. Die Stadt wurde im Tschetschenienkrieg 1995/96 zerstört und fünf Jahre

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