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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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Kürschnerei in Berlin fertigte mir daraus später eine Mütze nach Wunsch an. Alle Tierschützer werden mich verachten, aber damals wollte ich es so – mein Bewusstsein war noch nicht so geschärft wie heute. Als ich einmal in einer TV-Sendung auftrat, wollte mir ein Kollege aus Amerika diese Mütze aus dem Kreuz leiern, bot bis zu 500 Dollar dafür. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass sie mit Geld nicht zu bezahlen, weil ihr Wert ideell sei, aber er verstand mich nicht – vor allem nicht, wie ich so viel Geld ablehnen konnte.
    Ich habe sie noch, sie wärmt mich im Winter. Ich danke diesem Fuchs.
    Am zweiten Tag in Machatschkala machten Schlagzeuger Peter, Dolmetscherin Swetlana und ich einen Spaziergang. Bei Peter und Swetlana bahnte sich was an, sie nahmen mich trotzdem mit. Peter, der wie ein Moslem aussah, mit zwei blonden Frauen unterwegs, das war dort ein verstörender Anblick und wühlte die einheimischen Männer auf. Es geschah so schnell, dass wir es kaum rekonstruieren konnten, plötzlich lag Peter am Boden und strampelte wie ein Maikäfer auf dem Rücken mit den Beinen, um sich zu schützen. Wir Frauen schrien vor Aufregung und Angst vor weiteren Prügeln. Dadurch ließen die beiden Schläger endlich von ihm ab.
    Wir hatten Glück.
    Bis heute wissen wir nicht, wie es zu dem Angriff kommen konnte. Es war wirklich ein anderer Kulturkreis.
    Das Konzert am Abend hingegen verlief wunderbar, es begeisterte und entschädigte uns.
    Aber grundsätzlich wurden wir vorsichtiger.
    Oft bekamen wir nach den Konzerten Besuche von Musikerkollegen und Schauspielern, die interessiert waren an unserer Bekanntschaft. Die Musiker wollten fachsimpeln oder auch Instrumente kaufen und Kleidung, denn den Russen ging es noch schlechter als uns in der DDR. Pianist Pitti hatte extra abgetragene Klamotten mitgenommen, die er selbst nicht mehr anzog. Er wollte ein kleines Geschäft damit machen. Das gelang ihm auch, am Schluss der Reise hatte er nur noch seine Bühnenkleidung und das Nötigste am Leib. So konnte es gehen im Osten.
    Eines Tages besuchte uns an einem der vielen Orte, an denen wir gastierten, der Schauspieler, der den Pawel Kotschagin spielte. Die Figur war den DDR-Bürgern bekannt durch das Buch »Wie der Stahl gehärtet wurde« von N. A. Ostrowski. Man übte sich in sozialistischer Bruderschaft.
    Von Machatschkala ging die Reise mit dem Zug 500 Kilometer weiter nach Astrachan an der Wolga, dem letzten Ort der Tournee. Eine Stadt, der schon Iwan der Schreckliche Schreckliches antat, indem er sie belagerte und niederbrannte. Wir waren im äußersten Osten Europas angelangt, an der Grenze zu Westasien.
    Ein Ort, den ich nie vergesse.
    Zwei Konzerte waren hier vorgesehen. Wir hatten einen Spaziergang am Kaspischen Meer gemacht. Vom Markt holten wir uns Obst und Gemüse, auch Wasser, denn Leitungswasser konnte man in Astrachan nicht trinken, zu viele Keime überall.
    Das erste Konzert abends verlief so erfolgreich wie immer, es war ausverkauft, die Resonanz wunderbar. Aber etwas war diesmal anders für mich. Schon während des Auftritts verspürte ich Unbehagen, ein Ziehen in den Gliedern, Kribbeln wie bei beginnender Grippe. In der Nacht brach die Krankheit dann aus, ich musste ständig zur Toilette, verlor, was zu verlieren war, lag am nächsten Morgen geschwächt und mit steigendem Fieber danieder. Dolmetscherin Swetlana sollte einen Arzt besorgen, war aber nicht ausfindig zu machen. Der Auftritt nahte, und mir ging es zusehends schlechter. Wenn man sich richtig mies fühlt, hat man nicht mal Angst vor den anstehenden Aufgaben, es ist einem alles egal. Am späten Nachmittag schleppte ich mich zur Konzerthalle und machte den Kollegen klar, dass mit mir nicht zu rechnen sei. Endlich tauchte auch Swetlana mit einem Arzt auf. Er untersuchte mich und stellte »Disenteria« fest, daran erinnere ich mich noch gut, das heißt übersetzt Cholera, Ruhr.
    Ich war also, offiziell bestätigt, ernsthaft krank.
    Obwohl ich vor dem Konzert darum gebeten hatte, kein Publikum einzulassen, war der Saal bereits gefüllt. Und dann forderte mich Swetlana auf, trotzdem aufzutreten, der Arzt könnte sich ja neben die Bühne stellen und mir, falls ich umfallen sollte, eine Spritze verpassen.
    Ich geriet langsam ins Delirium, lehnte ab, so gut ich noch konnte. Meine Kollegen stellten sich schützend vor mich: Das Konzert fällt aus, basta!
    Ich war ihnen dankbar.
    Das Publikum wurde nach Hause geschickt, mich transportierte man mit einem

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