Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Größe. Ich musste mich aufs Gesundwerden konzentrieren.
Was schwierig war angesichts unserer mehr als bescheidenen Wohnverhältnisse im unsanierten Altbau. Ende November war es auch hier kalt. Wir hatten uns zwar eine transportable Dusche in die Küche gestellt, aber ich wünschte mir andere Verhältnisse, ein Bad und von Fernheizung erwärmte Zimmer. Einen anderen Schutz gegen den Winter. Das hätte mir in meinem Zustand viel gebracht.
Bitten oder auch Geld – es half einfach nichts, eine bessere Wohnung zu bekommen.
Die »stille Post«, wie der Geheimdienst genannt wurde, hatte einstweilen alle Institutionen über meine Erfahrungen und den Ausgang dieser Tournee informiert.
Es war die einzige Auslandstournee, über die ich nicht journalistisch befragt wurde. Es wurde nie darüber berichtet, niemand sprach das Thema an.
Im Sozialismus scheint nur die Sonne!
Im Visier der Stasi und auf zu neuen alten Ufern
Bei den vielen Stasiakten über mich, meine Familie und die Band findet sich auch ein »Ermittlungsbericht« aus dem Herbst 1978 über eine Befragung der Nachbarn im Wohnhaus Straßmannstraße 33 in Berlin-Friedrichshain. Die Mitbewohner äußerten sich darin sehr freundlich über László und mich und hoben meine »positive politische Grundhaltung« hervor. Der Akte beigelegt ist ein Auszug aus der »Reisestammkartei des PdVP Berlin« (Volkspolizeiregister), aus dem hervorgeht, dass wir in den Jahren 1974 und 1975 privat je achtundachtzig Tage unterwegs waren, hauptsächlich in Ungarn. Der Bericht nennt diese Liste mit Recht »lückenhaft, da von den Bürgern angegeben wurde, dass sich die Ermittelte und ihr Ehemann aus dienstlichen Gründen in den letzten Monaten z.B. in Westberlin, Österreich, der Schweiz und BRD aufgehalten haben sollen«.
Wir waren mehr unterwegs als zu Hause.
Für das Ministerium für Staatssicherheit, das MfS, wurde unser Vagabundentum interessant, sobald die Fahrten gen Westen gingen. Die Akten selbst kannten wir damals nicht, aber wie sich die Atmosphäre änderte, wie man vermessen, beäugt, plötzlich zu »Ermittelten« wurde, das spürten wir genau. Die Frage, wer uns denn aushorchen könnte, nagte an uns. Man hat es in unserem Beruf mit so vielen flüchtigen wechselnden Bekannten und Arbeitskollegen zu tun, man glaubt, Leute gut zu kennen, die man eigentlich seit Jahren nur im Vorbeigehen sieht. Wer war vertrauenswürdig, auf wen war Verlass? Die normale Reaktion auf solch bohrende Selbstgespräche war Achselzucken: sinnlos, da weiterzugrübeln – einfach nicht daran denken und nicht verzweifeln.
Man hatte sich schließlich nichts vorzuwerfen…
Im Dezember 1978 spielten wir im Berliner Haus der jungen Talente. Ein übereifriger Hausmeister entdeckte »illegal aus der BRD eingeführte Handfunksprechgeräte« bei uns, mit denen wir uns beim Soundcheck verständigten. Eine »Betriebsgenehmigung« dafür gab es nicht. Wegen dieser Lappalie musste ich am 1. März 1979 bei der Kriminalpolizei antanzen. Es setzte nur eine Ermahnung, aber: »Der Unterzeichner brachte die Fischer danach wieder zum Ausgang des Präsidiums. Im währenddessen geführten Gespräch erklärte er ihr, dass er Mitarbeiter des MfS sei (…). Weiter wurde ihr unser Interesse dargelegt, mit ihr in Kontakt zu bleiben, da es immer Probleme geben kann, die mit Hilfe des MfS gelöst werden können. Dabei wurde darauf verwiesen, dass sie Genossin sei und wir deshalb den Kontakt zu ihr suchen. Darauf erwiderte sie, dass sie (leider) keine Genossin sei und dies in der Presse immer falsch dargestellt wird.«
Ich kann diesem handschriftlichen Bericht entnehmen, wie klar ich gesagt habe, dass ich auf nichts eingehen werde. Sie sollten mich lieber wieder vorladen, wenn etwas anläge, ansonsten hätte ich eigentlich keine Zeit für sie. Aber die Wolke, aus Angst und Misstrauen blieb, ein Unwohlsein, auch wenn man schneller lief, den Schritt beschleunigte auf dem Weg nach Hause, auf den Fahrten, beim Proben, Organisieren, sogar auf den Bühnen, diese trübe Luft der Vermutungen und Verdächtigungen.
Im Herbst 1978 wurde der Wunsch, wieder mit Franz Bartzsch zu arbeiten, immer stärker. Ich hatte zunächst etwas Skrupel, denn mit meiner Band lief es gut. Meine Mentorin Marianne Oppel war es schließlich, die mich ermutigte, auf meine innere Stimme zu hören. Wir waren inzwischen auch privat befreundet, sie war meine Vertraute in künstlerischen Fragen geworden. Franz Bartzsch, das wussten wir beide, war kein
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