Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
einfacher Mensch, man musste in der Zusammenarbeit mit ihm viel wegstecken können. Aber seine Fähigkeit, mich musikalisch umzusetzen, war einzigartig. Er und ich, das war Herzenssache, wir hatten eine eigene musikalische Sprache.
Während ich noch überlegte, drangen Gerüchte an mein Ohr, dass auch Franz einer neuen Zusammenarbeit positiv gegenüberstehe. Man munkelte, dass 4 PS, die Band, die meine ehemaligen Kollegen gegründet hatten, im gesanglichen Bereich an ihre Grenzen gestoßen sei. Die vier hatten in den zwei Jahren ohne mich gute Erfolge gefeiert und sich eine Position weit oben im DDR-Musikbetrieb erarbeitet. Hansi, Franky und Franz teilten die Gesangsparts unter sich auf, und auch mit anderen Sängern hatten sie es versucht. Aber Franz konnte auf diese Art offenbar viele seiner kompositorischen Ideen stimmlich nicht so richtig umsetzen. Er sagte einmal: »Vroni kann singen, was ich schreibe, und das ist nicht immer einfach.« Das bringt es auf den Punkt.
Inzwischen war also bei mir die Botschaft angekommen, dass 4 PS gern wieder mit mir spielen wollte. Wie sollte ich das anstellen? Auch Thomas war ein guter Komponist, die ganze Band mir sehr ans Herz gewachsen, und was wir anpackten, schafften wir. Trotzdem bestand eine andere Art der Kreativität als mit Franz. Das ist wie bei einer Partnerschaft: Auch wenn die eine Beziehung freundlicher ist und einen selbständiger erscheinen lässt, bevorzugt man vielleicht eine andere voller Abhängigkeiten und seltsamer Vorlieben – die freundliche wirkt damit verglichen blass. Diese besondere Leidenschaft fehlte mir.
Wie konnte ich Thomas und den Mitmusikern die Trennung nahelegen, ohne sie zu verletzen? Ich kam zu dem Entschluss, eine Fete zu geben. In deren Verlauf wollte ich um Verständnis dafür bitten, dass ich unsere gemeinsame Arbeit gerne beenden – und am liebsten auch noch den Bassisten mitnehmen wollte. Alles oder nichts.
Die Party fand bei uns zu Hause statt. Ich legte mich richtig ins Zeug, backte eigenes Knoblauchbrot, in der DDR-Musikerszene jener Zeit »weltberühmt«, reichte selbst gebackenes ungarisches Hefegebäck, das gut zu Bier und Wein passte. DDR-Erdnussflips schmeckten dagegen wie eingeschlafene Füße. Ich zog alle Register, es sollte an nichts fehlen.
Wir tauschten die neuesten »Nachrichten« aus über Kollegen, wer von da nach da wechselte, welche Erfolge gerade das Land und die Musikszene beschäftigten, sprachen über die »Westszene« und spannende internationale Entwicklungen. Wir wollten den Anschluss zur Welt nicht verpassen. Währenddessen naschten wir vom Knabbergebäck und tranken Cola-Wodka, das beliebte »Ostgetränk«.
Ich nutzte die entspannte Atmosphäre, um meine Entscheidung zu verkünden. Zu meiner Überraschung waren keine längeren Reden erforderlich. Natürlich war Thomas nicht erfreut, aber letzten Endes verstanden mich alle.
Veronika Fischer & Band auf der Party, bei der sie ihrer zweiten Besetzung verkündete, wieder zu ihrer ersten Band zurückzukehren, 1979.
Unsere ganz persönliche Wiedervereinigung wurde Anfang 1979 feierlich vollzogen. Wir hatten das Glück, uns ausschließlich auf die gemeinsame Arbeit konzentrieren zu können, die Erfolge der Vergangenheit gewährten allen von uns eine gewisse finanzielle Sicherheit, sodass keiner gezwungen war, sich andere Aufträge zu suchen. Paradiesische Zustände, verglichen mit dem heutigen Arbeitsalltag der meisten Musiker. Nur bei sofortigem Charterfolg ist eine Kontinuität möglich. Aber wer hat den schon?
Wie alle, die glücklich sind, begriffen jedoch auch wir das erst später, als es vorbei war. Franz Bartzsch, der sich später den Arbeitsbedingungen im Westen Deutschlands zunächst ganz willfährig unterwerfen würde und geradezu wie abgeworben wirkte, erkannte erst nach vielen Jahren den Wert der freien Kreativität, die wir Ende der Siebziger hatten, und sagte kurz vor seinem Tod: »Die Siebziger waren meine wichtigste Zeit.«
Für unseren Neuanfang brauchten wir natürlich neue Musik. Wir mieteten uns auf einer einsamen Ostseeinsel bei einer netten Familie ein. Dort waren wir abgeschirmt, konnten in Ruhe arbeiten, uns auf kommende Konzerte vorbereiten und uns zwischen den Proben bei Spaziergängen am Meer erholen. Kurt Demmler besuchte uns und hatte die Idee zu dem zeitlos schönen Song »Insel im Norden«, einer Art Dankeschön für unsere Zeit auf der Insel. Franz schrieb »Goldene Brücken« und »Niemals mehr«. Zwei Kollegen der
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