Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Gruppe Lift waren vor Kurzem auf der Rückfahrt von einem Gastspiel in Polen ums Leben gekommen. Ich war unsicher, ob sich diese »Grabeshymne« für die neue LP eignete, aber Franz war das Lied sehr wichtig.
Die LP Goldene Brücken wurde eine ganz besondere, eine ziemlich gewagte Rockliedersammlung, instrumental für meinen Geschmack ein bisschen zu dramatisch und aus heutiger Sicht vielleicht etwas überladen, aber damals rundum ein Treffer. Die Songs sind zeitlos und einzigartig, das Lied »Uralte Zeit« singe ich heute noch. Die Presse reagierte ebenfalls positiv: »Einen Titel gegen den anderen abwägend, versagt man schließlich vor der Verlockung, doch ein Lied zum Nonplusultra hochzustilisieren. Dies gelingt nicht. Goldene Brücken ist von faszinierender Musikalität. Veronika Fischers oft ganz eigentümlich nachdenklicher gesanglicher Ausdruck ist mitunter wie erdenfern, um schon im nächsten Moment mit einer fast robusten Urwüchsigkeit über uns zu kommen«, so Wolfgang Lange in einer Rezension. Und Bernd Bibratsch schrieb in Melodie & Rhythmus : »Liebe Vroni, was ich nicht über die Lippen brächte, wenn wir zusammensitzen, will ich hier mal zu Papier bringen: dass ich dir irgendwie dankbar bin. Für die Ermunterung der Gefühle. Man lebt vielleicht ein wenig intensiver mit ihnen, bewusster, freudiger, nachdenklicher. Wenn das, was Du singst, so mit der Wirklichkeit überein und so ins Leben eingeht, darf man es wohl realistisch nennen und muss sich seiner Bewegung nicht schämen. Vielen Dank auch, junge Frau!«
Wir traten mit dem neuen Programm zum ersten Mal am 25. Februar 1980 live auf, im Klubhaus der NVA Lehnitz. Marianne Oppel schrieb in dem dazugehörigen Bericht, den sie immer an die Generaldirektion des Kommittees für Unterhaltungskunst schicken musste: »Das neue Konzertprogramm stellt auch im Verhältnis zu den vorhergehenden Entwicklungen am gelungensten das aus, was diese Formation an Talenten und künstlerischer Eigenständigkeit, an Besonderheit und Unterhaltungskultur zu bieten hat. Veronika Fischer & Band sind momentan so gut, wie sie niemals vorher waren. Ich bin damit rundherum zufrieden.«
Was die Generaldirektion nicht daran hinderte, bei einem Wettbewerb in Karl-Marx-Stadt, an dem teilzunehmen wir genötigt wurden, ein amateurhaftes Zaubererpärchen aus Schmalkalden unmittelbar vor uns in unseren exquisiten, mit viel Mühe zusammengestellten Dekorationen auftreten zu lassen – als wäre das alles »gor nüscht Besondres«…
»Zeit für ein Kind«
Die anderen saßen längst bei Franz in der Lenbachstraße zusammen (er hatte nach einer Weile eine neue Wohnung für sich und seine Familie gefunden), eine Besprechung war angesetzt, man wartete auf mich. Ich kam zu spät – und brachte eine Neuigkeit mit, die alles durcheinanderwirbelte. Ich war schwanger, das war nicht geplant gewesen, aber ich war entschlossen, dieses Kind zu bekommen. Ich war achtundzwanzig Jahre alt, meine innere Uhr tickte, die Zeit war einfach reif. Ich wollte mich keinesfalls von den anderen beeinflussen lassen, diese Entscheidung würde allein ich treffen.
Die Kollegen waren geschockt, selbst László wirkte nicht erfreut über die Neuigkeit. Der Einzige, der mich voll unterstützte, war Franz. Das überraschte mich. Vielleicht fand er meinen Wunsch so normal, weil er selbst zwei Kinder hatte, die er sehr liebte. Später las ich in meinen Stasiunterlagen von der Vermutung, Franz Bartzsch sei der Vater meines Kindes. Die Neunmalklugen wussten oft mehr, als man selbst wissen konnte… Nun, Benjamin sieht László ähnlich, ich muss nichts mehr beweisen. Natürlich verstand ich den Unmut der Kollegen, denn wir hatten ja gerade neu begonnen. Aber es gibt eben »Umstände«, die sind nicht vorhersehbar. Nun mussten wir mit der veränderten Situation klarkommen, vieles musste bedacht werden, Marianne half uns dabei. Ich war am Anfang der Schwangerschaft, wir konnten also noch spielen. Ab dem achten Monat wollte ich dann ungefähr ein halbes Jahr lang eine Pause einlegen. Marianne kümmerte sich darum, den Bandmitgliedern für diese Zeit andere Aufträge zu vermitteln. Auch László und ich hatten nicht genug Rücklagen, um so eine lange Pause zu überbrücken; wir hatten einiges in den Neustart investiert.
Außerdem musste überlegt werden, wie wir die Öffentlichkeit einstimmen sollten. Eine Frau mit dickem Bauch auf der Bühne, ging das überhaupt? Würden unsere Fans sich abwenden? Marianne brachte
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