Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
schließlich die Idee zu einem programmatischen Lied auf, zu einer Single, die ohne viel Palaver die Lage klarmachen würde. 1980 war zum »Jahr des Kindes« ausgerufen, es gab also gleich noch einen zweiten Aufhänger.
Kurt Demmler wurde zu einem Kreativgespräch gebeten. Er wusste sofort, worum es uns ging, und kam auf die wunderbare Textzeile »Zeit für ein Kind«. Er schrieb sie auf eine schöne Melodie von Franz, die bereits vorhanden war, und entwickelte dann gemeinsam mit uns den ganzen Text: »… Zeit für mich, Zeit für dich, Zeit für uns, wie wir sind, wünsch ich mir, wünschst du dir, wünschen wir uns ein Kind.«
Wir überzeugten das Publikum. Ich durfte schwanger in Erscheinung treten. Die Menschen nahmen meine »anderen Umstände« ganz selbstverständlich an. Auch mit der Rockband im Rücken und solch einem wilden Lied wie dem »Vagabunden« im Schlepptau – auch dies von der neuen LP. Dieses Stück ist musikalisch heftig angerockt und verlangt eine gute Sangesform. Und die hatte ich. Die Schwangerschaft brachte mir den Vorteil, dass ich noch höher singen konnte als sonst. Ich bin davon überzeugt, dass die körperliche Fitness einer Schwangeren so gesteigert ist, weil ein Embryo mit versorgt wird, und dass eine Sängerin dadurch mehr Volumen bekommt. Die Immunkräfte sind in Höchstform.
Auch meine Kollegen stellten sich gut auf mich ein.
Meine jüngste Schwester wurde zur gleichen Zeit schwanger. Das passte prima, allerdings hätte ich mir für Kerstin ein bisschen mehr Zeit gewünscht, sie war gerade erst achtzehn. Zu früh für ein Kind, finde ich und sagte es ihr auch. Aber heute bin ich froh, dass es mein Nichtchen Ines gibt.
Obendrein war die Frau von Bassist Jäcki schwanger. Bei uns brach der Babyboom aus.
Die Monate bis zur Geburt waren vollgepackt mit Arbeit. Wir eilten von einem Konzert zum nächsten, wir waren in Topform, und das Publikum reagierte begeistert auf die Neuauflage von Veronika Fischer & Band. Gemeinsam mit Holger Biege, der »männlichen Stimme der DDR«, trat ich bei einer Riesenveranstaltung im Palast der Republik auf. Der Abend sollte eine Hommage an die »Arbeiter und Bauern« sein, eine Auftragsarbeit, ausgeführt von den angesagtesten Künstlern des Landes. Franz und Kurt schrieben das »Abendland« für mich und Holger. Holger hatte ein unverkennbares Timbre, wir passten stimmlich gut zusammen. Es wurde ein Meisterstück. Ich finde zwar den Text, der auf Wohlwollen bei den DDR-Oberen stieß, etwas überladen und sperrig für den Gesang. Aber der Mitschnitt unseres Auftritts zeigt, dass die Musik in der DDR zuweilen durchaus gewagt und eigenwillig sein konnte.
Darüber hinaus sang ich Kinderlieder für Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt ein ( Der Traumzauberbaum ), außerdem die »Berlin-Lieder« von Günther Fischer, Texte von Gisela Stein eckert. Voreingenommenheiten verhinderten damals eine persönliche Begegnung zwischen Gisela und mir: staatstreuen Dienern gegenüber reagierten wir Musiker fast instinktiv vorsichtig. Erst die veränderten politischen Rahmenbedingungen machten später ein Kennenlernen möglich; Gisela und ich konnten viel miteinander anfangen, schöne Dinge entstanden, und auch privat kam es zu einem freundschaftlichen Miteinander. Die »Berlin-Lieder« sind für mich bis heute einzigartig, ich kenne nichts Vergleichbares.
Schließlich gab es nach viel Arbeit und Erfolg wieder mal einen Preis, diesmal den Kunstpreis der DDR.
Es waren arbeitsreiche Wochen, in denen ich kaum eine Verschnaufpause fand, um mich mit mir und dem neuen Erdenbürger in meinem Bauch zu beschäftigen. Ich spürte, wie das Baby sich zunehmend bemerkbar machte. Noch wussten wir nicht, ob es ein Mädchen oder ein Junge werden würde. Damals gab es zwar schon Ultraschall, aber die Auflösung war noch nicht so fein wie heute, sodass man das Geschlecht nicht erkennen konnte. Wir dachten uns also Namen für beide Varianten aus.
Wir hatten bei der Eheschließung als gemeinsamen Namen Fischer eintragen lassen. Eigentlich ein Unding für einen Macho aus Ungarn, den Namen seiner Frau anzunehmen. László war nicht gerade begeistert gewesen, aber wir glaubten, es sei wichtig für mich als Künstlerin, dass ich in der Öffentlichkeit unter meinem alten Namen auftrat. Erst später änderten wir in den Papieren den Familiennamen in Kleber, damit das Kind einen ungarischen Pass und damit mehr Freiheit bekam. Fischer war fortan mein »Künstlername«.
Anfang August 1979
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