Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
mir die WEA nun genau das an: Einen Künstlervertrag über drei CDs. Ein Angebot, das mir das Gefühl gab, finanziell weich zu fallen – falls ich denn im Westen bliebe. WEA-Chef Siggi Loch sprach gar von einer deutsch-deutschen, ja vielleicht sogar weltweiten Karriere. Ich zweifelte daran, dass ich dazu jemals die Zustimmung »von oben« erhalten würde.
Während dieser ersten vier Monate diskutierten wir darüber, wie es weitergehen sollte. László blieb hart, er würde nie wieder in die DDR zurückkehren. Franz Bartzsch hielt sich seltsam bedeckt bei unserem Wiedersehen. Und für mich blieb er der Verräter, ich konnte es nicht verleugnen.
Ich hing zwischen allen Stühlen, die Angst saß mir im Nacken bei jedem Grenzübertritt. Würden sie mich eines Tages auffordern, unauffällig mitzukommen? Um einen Sachverhalt »zu klären«? Und würde sich die Mauer dann hinter mir schließen? Ich auf der einen Seite, Benjamin und László auf der anderen?
Die Angst hörte nicht mehr auf.
Für den 24. März 1981 war ein Konzert im Ostberliner Kino Kosmos in der Frankfurter Allee angesetzt. Wolfgang Schubert, der inzwischen die Organisation der Band übernommen hatte und sich sicher gut mit den Behörden verstand, hatte gemeinsam mit der Künstleragentur diese Möglichkeit aufgetan. Die Stasi erfuhr offenbar erst kurz vor dem Auftritt davon. Wie ich später in den Akten las, war man entsetzt, denn man war nicht davon ausgegangen, dass ich noch einmal in Ostberlin spielen würde. Künstleragentur und Generaldirektion bekamen deshalb ordentlichen Ärger. »Soweit das noch möglich war, hat der Stadtrat für Kultur am 19. und 20. März noch Einfluss auf den Kartenvertrieb genommen, um abzusichern, dass aus dem Publikum heraus keine Provokationen erfolgen können«, heißt es in einer Akte der für mich zuständigen Hauptabteilung XX/7 beim MfS.
Der Publikumsteil, der im Sinne der Stasi »Provokationen verhindern« sollte, war eine Delegation aus der Mongolischen Volksrepublik, mehrere hundert Menschen, die von unserer Musik keine Ahnung hatten und bei ihrem Ausflug in die westlichste Bastion des sowjetischen Riesenreichs vielleicht auf einen Kessel Buntes gehofft hatten. Der halbe Saal war voll mit ihnen, der größte Teil meines Publikums musste deshalb vor der Tür bleiben.
An diesem Abend wollte Siggi Loch von der WEA mich live bei einem Konzert erleben, ebenso Siegfried Wagner und auch Gerd Kämpfe, mein neuer Manager im Westteil. Loch und Wagner kannten sich nicht, saßen aber nebeneinander in der ersten Reihe. Was für ein Anblick im Kalten Krieg! Links daneben der mongolische Block. Es war äußerst schwierig, Stimmung aufkommen zu lassen. Im hinteren Teil des Saals wurde es zunehmend unruhig, die Fans wurden sauer, sie spürten, dass etwas faul war. Ich musste da durch, irgendwie.
Siggi Loch sagte anschließend zu mir, er hätte sich das Konzert doch etwas anders vorgestellt. Und überhaupt: Weshalb bitte schön seien so viele Mongolen da gewesen?
Vielleicht, weil die Hardliner des Staates eine Abweichlerin demütigen wollten?
Eine Abweichlerin, die gerade ihr Abschiedskonzert gab…?!
Ich sagte nicht viel, ich wusste, dass Wände Ohren haben.
Fuhr zurück in mein neues Heim, in dem ich noch gar nicht heimisch war, und litt.
Und die Stasi war dabei: »V.F. ist am 24.3. um 18:55 über die Chausseestraße in die Hauptstadt eingereist und hat am 25.3. gegen 0:10 Berlin wieder verlassen. Sie hat sich nicht an Gesprächen nach dem Konzert beteiligt. (…) M. Oppel hat sinngemäß geäußert, dass V.F. noch in diesem Monat das Land verlassen wird, wenn die Künstleragentur der DDR weiterhin keine Verträge für Konzerte in der BRD und WB abschließt« (3. April 1981, HA XX/7).
Für mich wurde die Siuation unerträglich: der Spagat, in Westberlin zu leben, aber die »Brötchen« im Osten zu verdienen. Woher sollten die Miete und andere Lebenskosten kommen, wenn ich nur DDR-Mark verdienen durfte?
So unterzeichnete ich schließlich den Vertrag mit WEA – was mir mein Visum jedoch nicht erlaubte. Dadurch zerriss ich die Verbindungen zu den Kulturbehörden und damit zur DDR. Sie konnten nicht beteiligt werden. Ich verabschiedete mich endgültig.
Ich ließ die technische Anlage für Ton und Licht zurück, die damals viel wert war, – ich konnte sie nicht einfach einpacken und mitnehmen. Vorerst sollte die Band sie nutzen, dadurch blieb sie spielfähig.
Im Westteil hätte László sie natürlich auch gut
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