Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
gebrauchen können, er hätte sie vermietet und gleich Arbeit gehabt. »Warum hast du die Anlage nicht mitgebracht«, hat er mich manchmal nur halb im Spaß gefragt.
Ohne Anlage wäre die Band in ein Loch gefallen, insofern wäre es auch unter normalen Bedingungen nicht fair gewesen, sie sofort mitzunehmen. Aber für faire Lösungen, egal welcher Art, bestand gar keine Möglichkeit.
Aus den Akten geht hervor, dass meine »Freunde« bei der Generaldirektion nach meinem Weggang der Band sofort rieten, zur Not auf den Besitz an diesen Geräten zu klagen.
Ein Genex-Konto mit den Geldern aus unserer Sowjetunion-Tournee ließ ich ebenfalls zurück. Ich konnte das Geld vor meinem Weggang nicht abheben, es wäre aufgefallen.
Als ich das Konto nach der Wiedervereinigung auflösen wollte, war es abgeräumt. Die Stasi hatte das Geld eingezogen – nicht gerade wenig.
Nach ihrem Verständnis war es eben staatliches Geld – wie auch Künstler von meiner Art eine staatliche Verfügungsmasse gewesen sind.
Ein halbes Jahr später verabschiedete ich mich schriftlich, und meine DDR-Staatsbürgerschaft erlosch.
21. Juli 1981 VPI-Lichtenberg, Kriminalpolizei. Protokoll. »Am heutigen Tag erschien auf der hiesigen Dienstelle die Bürgerin Klein, Kerstin, geb. Fischer (…) und übergab dem Unterzeichner Dokumente auf den Namen ihrer Schwester Veronika Fischer – PA der DDR – und eine AE sowie zwei Zulassungsscheine auf den Namen Kleber, László. Die genannten Dokumente fand sie am gestrigen Tag in ihrem Hausbriefkasten.«
5 Vom Verlag aus rechtlichen Gründen geschwärzt.
TEIL III
NEUES LEBEN
Schau doch, die Sonne scheint immer noch hier, Die selben Schatten werden länger am Abend, Die gleiche Wärme zwischen dir und mir. Sieh nur, sie dreht die gleichen alten Kreise, Von Ost nach West macht sie uns einen Tag, Nur alles ist nicht mehr so leise. 6
Christoph Busse
6 »Der Westendpark ist noch grün« (Auszug), Text von Christoph Busse, Musik von Achim Oppermann. Abdruck mit freundlicher Genehmigung Neue Welt Musikverlag GmbH & Co. KG
» S moke on the Water« läuft im Radio, sie hört es leise, will niemand wecken. Sacht setzt die Dämmerung ein, sie streckt sich, um sich eine Ahnung von der sommerlichen Morgenröte da draußen ins Bett zu holen. Ein Klangteppich aus startenden Autos in der Straßenschlucht unten und gellenden Vögeln im Innenhof markiert den neuen Tag.
Scheppern von irgendwelchem Kram, der gerade abtransportiert wird.
Früher war das oft schrecklich: Draußen schon wieder hell und sie immer noch wach, überwach, noch nicht zur Ruhe gekommen. Alle Geräusche stachen. Bedeutete Kurzschlaf, Mühe und Hektik am nächsten Tag.
Der auf eine aufdringliche Art schon da war.
Jetzt ist sie ausgeruht nach den paar Stunden, kann hier spazieren gehen mit den Gedanken, sich ruhig einmal herumführen lassen.
Eh die morgendlichen Routinen sie rufen.
Ihr Mann noch fest im Traum; dass er zurück war, hat sie nebenbei registriert in den Nachtstunden, und ihr Vertrauen war im Schlaf wiederhergestellt.
Jetzt hört sie Schritte im Treppenhaus. Sie klingen wie ihre eigenen. Als käme sie selbst an die Tür.
Sie sieht die Fremde dort stehen – eine Frau, die gerade ankommt, als die von gestern, und sich hier drin als die neue, den Menschen, zu dem sie geworden ist. Ganz heiter kann sie denken: Die muss sich jetzt hier erst mal einleben.
Und genauso heiter sagt sie zu der Musik, die im Kopfhörer läuft: Hier bin ich nicht zu Haus. Aber dort auch nicht mehr. » Smoke on the Water« war damals für uns ein Gruß aus dem Traumland. Eine Herausforderung: So musizieren, so nah am Leben sein können mit unserer eigenen Musik, das war der Wunsch. » When it was all over we had to find another place …«
Hier ist solch ein Popsong ein Übergang zwischen zwei Nachrichten oder der Appetithappen zwischen zwei Werbeeinblendungen. Komisch: Dieses Land hier ist so geprägt von der angloamerikanischen Kultur – aber die einzelnen Bausteinchen, die Kulturteilchen, die Lieder, Filme, Gesichter, werden wie Nebensachen behandelt, wie Sperrmüll und austauschbare Schnäppchen. Ohne Respekt.
In dem anderen Land dagegen hat man in alles Amerikanische ein Versprechen gelegt: Dass es so was wie Freiheit und Unabhängigkeit überhaupt gibt. Was diese Lieder und Filme behaupten, hat man dort viel ernster genommen als hier. Und möglicherweise gerade, weil es vom Feind kam. Es machte solchen Spaß, die Genossen damit zu ärgern, dass in
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