Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Lyriker Jörg Fauser entstanden sowie mit Christian Kunert und Gerulf Pannach. Die beiden gehörten zum Umfeld der Leipziger Band Renft und waren 1977 zwangsausgebürgert worden. Ihr Lied »Fluche Seele, fluche« ging mir zu jener Zeit direkt ins Herz. Ähnlich wie »Die Fremde« von Fauser: »Ob im Osten, ob im Westen, nirgendwo ist es am besten« – später sang ich dieses Lied in einer WDR-Radiosendung. Aber noch fehlte mir die Kraft dafür, so etwas überhaupt vorzuschlagen. Obendrein kam im Westen jetzt die Neue Deutsche Welle auf, eine Mode, die ästhetischen Gesang wenn überhaupt, dann nur als komisches Moment gelten ließ.
»Wenn du hier keinen Schlager machst …«
Die erste West-LP, die 1981 im Hansastudio eingespielt wurde, hieß Staunen . Ich staunte allerdings gar nicht, ich hörte zu, beobachtete und verstand mehr, als sie glaubten. Die Mauer war nun mal kein Zaun wie in dem Lied »Und doch bleibt ein Zaun ein Zaun«. Ein Zaun kann überwunden werden, eine politische Mauer im Einzelkampf nicht – lächerliche Westnaivität. Völlig überrascht war ich von der Veränderung, die in Franz vorgegangen war, ich traute meinen Ohren und Augen nicht: In einem halben Jahr hatte Franz sich der musikalischen Auffassung des bundesdeutschen Schlagers voll angepasst! Seine Melodien klangen noch nach der alten Handschrift, aber in der Umsetzung banalisierte, glättete und verharmloste er die eigenen Erfindungen. Es war, als sei bei ihm der Draht zur rockmusikalischen Energie abgeknippst worden. Obendrein ordnete er sich bei der Produktion im Hansastudio dem Musikproduzenten Gerd Kämpfe fast willenlos unter. Er sagte achselzuckend: »Wenn du keinen Schlager machst, kannst du hier nicht leben.« Seine neuen Geldgeber nutzten seine Situation aus und seiften ihn ein.
Heute weiß ich, wie ermattet Franz damals war, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, Fuß zu fassen. Wenn man Geld braucht, wird man käuflich, da konnte die Arbeit mit mir keine Herzenssache mehr sein. Aber er hatte auch Angst, wie ich einmal heraushörte, meinem musikalischen Wollen kräftemäßig auf Dauer nicht gerecht werden zu können. Er flüchtete auch vor der Arbeit.
Heute weiß ich, dass ich hätte kämpfen müssen. Doch dazu war ich 1981 nicht in der Lage. Mir wurde nur ganz elend zumute, wenn ich an früher dachte, als wir eine Grundidee hatten, an deren Umsetzung gemeinsam gearbeitet wurde – alle wurden gefragt und brachten sich ein. Das fehlte mir jetzt. Was in den klimatisierten Räumen am Postdamer Platz, in denen schon David Bowie mit Brian Eno und Iggy Pop gearbeitet hatte, zustande kam, war nicht mehr meine Musik. Meine Wurzeln waren vorerst gekappt.
Staunen erstand im kitschigen Sound der Westberliner Schlagerszene. Ich kam erst zu den vorproduzierten Grundbändern hinzu, da gab es nichts mehr zu ändern – nur im Innersten entsetzt zu sein und das so gut es ging zu verbergen. Das Beste daraus machen. Funktionieren. Siggi Loch beschwerte sich bei der Abnahme der LP, ich würde kalt klingen. Dieser Meinung war ich nicht, aber ich war mit dem Herzen ganz sicher nicht bei der Sache gewesen. Falls er das gemeint haben sollte. Es gab sogar kleine Anfangserfolge: Der Titel »Halt mich fest« lief ganz gut. Ist trotzdem nicht meins, nur ein Titel…
Hinzu kam, dass schon nach dem ersten Album die Luft raus war. Franz beschwerte sich eines Tages bei mir darüber, dass Gerd als Produzent eingesetzt worden war. Er hätte das nicht gewollt, außerdem müsse er sowieso alles allein machen. Ich ging also zu Gerd und versuchte ihm klarzumachen, dass unter diesen Umständen eine weitere Zusammenarbeit nicht sinnvoll wäre. Damit glaubte ich in Franz’ Interesse gehandelt zu haben – aber das Gegenteil war der Fall. Als ich ihm von meinem Gespräch erzählte, meinte er nur: »Aber ohne Gerd geht es auch nicht!« Alles klar, ich verstand gar nichts mehr. War er gekauft? Nicht meine Welt, das alles!
Mit anderen Worten: Ein neues Team musste her. Und ich musste lernen, auf anderen, auf eigenen Füßen zu stehen!
Zum Glück war damals meine kleine Familie ein Rückzugsgebiet, das mir Kraft gab. Meine Ehe lief gut, und ich konnte mir mein Leben zwischen Beruf und Mutterrolle ganz gut einteilen, meistens jedenfalls. Ein echter Vorteil von Freischaffenden – vorausgesetzt, sie bleiben finanziell unabhängig. Die 25.000 DM im Jahr aus dem Plattenvertrag reichten knapp für uns drei. In dieser Zeit konnte ich unser Budget noch nicht mit
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