Das Lustschiff
Ihr konnte es doch egal sein, aus welchem Grund Josh Sullivan an Bord war. Solange sie nicht dieser Grund war, und danach sah es ja nun nicht gerade aus. Wenn er doch nur endlich einsah, dass sie keine Hilfe gebraucht hatte.
»Wissen Sie was, Sullivan, machen wir einfach einen Deal.«
»Ich bin immer für einen guten Deal zu haben.«
»Ich gehe Ihnen aus dem Weg und Sie mir. Irgendwie werden wir diese paar Tage schon rumkriegen, ohne uns ständig in die Quere zu kommen.«
Sullivan schüttelte den Kopf. »Der Deal gefällt mir nicht.«
»Schlagen Sie einen besseren vor.« Sie war durchaus für Kompromisse offen.
»Sie leisten mir beim Abendessen Gesellschaft. Das wäre ein angemessenes Dankeschön von Ihrer Seite.«
Carolin fehlten die Worte. Sullivan war ja fast noch unverschämter als Pan. »Vergessen Sie es einfach«, sagte sie gereizt und ließ ihren »Retter« einfach stehen, eilte durch den Gang zum Lift. Sie hatte keine Lust auf weitere unsinnige Diskussionen, die zu nichts führten. Was wollte dieser Kerl überhaupt von ihr? Hier gab es genug Frauen, die auf ein kleines Abenteuer aus waren. Sie hingegen brauchte keine Affäre, das war das Letzte, wonach ihr momentan der Sinn stand.
Carolins Magen meldete sich zu Wort. Sie hatte den ganzen Tag über nichts gegessen, es wurde Zeit für eine Pause. Also begab sie sich ohne Umwege zum nächstgelegenen Bordrestaurant, dem Lotos . Ein edles Restaurant, das mit exquisiten asiatischen Speisen aufwartete. Genau das Richtige, um den Abend ausklingen zu lassen. Und sich vielleicht auch ein bisschen abzulenken. Denn Sullivan, das war leider ein Fakt, löste etwas in ihr aus, was ganz und gar ungesund für sie war.
Josh schmunzelte. Das war wirklich ein hinreißender Zufall, ausgerechnet der Badenixe aus dem Alsterbad auf der Sea Love wiederzubegegnen. Carolin Winter. Ein passender Name für eine scheinbar kalte Person. Ob es ihm gelang, das Eis zwischen ihnen zu brechen? Im Alsterbad hatte er Carolin bestenfalls sympathisch gefunden, amüsant. Ihre Kämpfernatur und das sportliche Konkurrenzdenken hatten ihm imponiert. Wahrscheinlich hätte er diese Frau aber schnell wieder vergessen, wäre sie ihm hier nicht erneut begegnet. Nun weckte sie zusehends sein Interesse. Wer war die Frau in der strengen Uniform, die nicht ahnte, dass er in Wirklichkeit einen anderen Namen trug? Bei näherer Betrachtung hatten sie offenbar mehr gemeinsam. Beide zeigten nicht ihr wahres Ich. Aus unterschiedlichen Gründen. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie diese Mauer, die sie um sich gezogen hatte, bewusst oder unbewusst aufgebaut hatte. Vielleicht um sich zu schützen.
So oder so, sie stachelte seinen Erobererinstinkt an, und er fragte sich unwillkürlich, wer hinter dieser kühlen Fassade wirklich steckte. In ihren Augen hatte er etwas gesehen, was ihn jetzt nicht mehr losließ. Leidenschaft? Sehnsucht? Verlangen? Nach ihm?
Er würde es herausfinden. Aber nun wollte er erst einmal sein Abendbrot zu sich nehmen, gespannt darauf, ob die vielen Küchen an Bord ihre fünf Sterne tatsächlich verdienten. Er schlenderte durch den Gang, nahm den Lift und suchte das entsprechende Deck auf. Spontan entschied er sich für das Lotos -Restaurant und traute seinen Augen kaum, als er die Dame in der weißen Uniform an einem der hinteren Tische erspähte. Das war doch mehr als nur ein Zufall. Josh glaubte nicht an Schicksal. Aber in diesem Moment geriet er ob seiner Einstellung doch ins Zweifeln. Schließlich begegneten sie sich nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend, ohne dass einer von ihnen es darauf angelegt hätte. Die Sea Love war groß, niemand wusste das besser als er. Er hatte ihre Baupläne abgesegnet gehabt. Dies war eine kleine schwimmende Stadt, auf der man sich schnell aus den Augen verlor. Aber offenbar gab es etwas oder jemanden, der sie einander näherbringen wollte, ihre Wege immer wieder zusammenführte.
Verfolgen Sie mich schon wieder?, würde sie fragen, wenn er jetzt zu ihr ging. Er lachte leise, konnte ihr diesen Verdacht jedoch nicht verübeln. Es sah ja tatsächlich ganz danach aus. Und was würde er antworten? Dass es Schicksal war?
Nein, er setzte sich an einen anderen Tisch, von dem aus er die Sicherheitsoffizierin im Blick hatte. Eine Kellnerin brachte ihm die Speisekarte. Auch sie ahnte nicht im Geringsten, wen sie tatsächlich bediente und dass Josh Sullivan lediglich ein Pseudonym war. Gut so! Er konnte Publicity im Moment nicht gebrauchen. Josh hatte
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