Das Lustschiff
geschah, was selten vorkam, frustrierte sie es, dieses Mal nahm sie es jedoch locker.
»… oder«, fuhr sie fort, »Carolin und dieser hübsche Gast kennen sich irgendwoher.«
Nun ging auch Andrea ein Licht auf. »Du meinst, er ist ihr Freund?«
»Nicht unbedingt, aber womöglich bahnt sich etwas zwischen den beiden an.«
»Nach einer Anbahnung sah es nach dieser überhasteten Flucht aber nicht aus.«
Lena nickte. »Du hast wohl recht. Wahrscheinlicher ist, dass Carolin immer noch das kleine Mäuschen von damals ist.«
»Mäuschen?« Wie ein Mäuschen sah diese hochgewachsene Frau in der Uniform nun nicht gerade aus. Wenn eine von ihnen dreien ein Mäuschen war, so war es Andrea, aber doch nicht eine wie Carolin Winter.
»Carolin ist privat sehr schüchtern. Das war auch damals schon ein Thema zwischen uns. Sie flieht vor den Männern, die sich für sie interessieren.«
»Ach ja?« Das konnte Andrea nicht verstehen. Sie war froh, wenn überhaupt ein Mann an ihr Interesse zeigte. Wenn er dann auch noch so aussah, wie der große Unbekannte am anderen Tisch, dann würde sie alles tun, nur nicht vor ihm fliehen.
»Das hat mit ihrer Vergangenheit zu tun«, erklärte Lena.
Allmählich weckte sie Andreas Neugier. »Du meinst, sie war mal mit jemandem liiert, der sie für alle Zeit für alle anderen Männer verdorben hat?«
Lena lachte. »Nein. Nichts in der Art. Aber sie hatte mal einen Freund, der sie schlecht behandelte, nicht respektierte und obendrein fremdging.« Sie ging nicht ins Detail, aber das brauchte sie auch gar nicht. Ein Mann, der eine Frau ohne Respekt behandelte, genügte ihr als Erklärung für ein männerabweisendes Verhalten.
»Leider macht Carolin den Fehler, nun alle Männer stellvertretend büßen zu lassen, und dabei steht sie ihrem eigenen Glück im Wege.«
»Nicht sehr rational.«
»Gefühle sind selten rational.« Nachdenklich zeichnete Lena den Rand ihres Glases mit dem Finger nach, dann schnipste sie plötzlich. »So kann es nicht weitergehen. Ich kenne Carolin seit zehn Jahren, vielleicht sogar elf. Bis vor wenigen Jahren hatten wir regelmäßig Kontakt, haben uns mal hier, mal dort getroffen, und immer war sie Single. Ich bezweifle, dass sich jüngst etwas daran geändert hat. Aber dafür wird es langsam Zeit! Ich werde die Sache in die Hand nehmen.«
»Gehst du nicht ein bisschen zu weit. Es gibt nun mal Menschen, die lieber allein bleiben. Überlass die Entscheidung ihr. Vielleicht ist sie ja glücklich als Single?«
»Das ist sie nicht. Ich kenne sie lange genug, diese Flucht hat alles verraten«, war Lena überzeugt. »Carolin ist niemand, der für eine schnelle Nummer zu haben ist. Wer weiß, wann sie das letzte Mal Sex hatte.«
»Das … geht uns nun wirklich nichts an.«
»Sie muss innerlich völlig verkümmert sein.«
»Du übertreibst.«
»Tue ich nicht.«
»Und was ist mit mir? Du wolltest mir helfen«, erinnerte Andrea sie.
»Keine Sorge, Süße, du kommst schon nicht zu kurz. Auch wenn du es mir wahrscheinlich nicht glaubst, aber Carolin ist ein schwierigerer Fall als du.«
Das war in der Tat nur schwer vorstellbar. Carolin hatte alles. Ein akzeptables Aussehen, einen coolen Job und offenbar auch einen Verehrer, von dem Andrea bestenfalls träumen konnte.
War sie tatsächlich eifersüchtig auf die Sicherheitsoffizierin? Fürchtete sie, dass Lena sich mehr ihr als Andrea zuwenden würde? War das nicht albern? Es erinnerte ein wenig an ihre Schulzeit, als es darum ging, wer wem die beste Freundin war.
»Du musst wissen, was du tust.« Lena hatte ihr schon oft von ihren zahlreichen Verkupplungserfolgen erzählt. Eine Freundin hatte sie mit einem Animateur eines Luxushotels zusammengebracht, eine andere hatte ihren Arzt geheiratet. Lena selbst war interessanterweise noch nie unter die Haube gekommen, wie man so schön sagte. Danach stand ihr nicht der Sinn. Sie brauchte ihre Freiheit, und wechselnde Beziehungen waren für sie das Salz in der Suppe. Andrea war da ganz anders gestrickt. Sie suchte tatsächlich den Mann fürs Leben. Und wenn sie die freie Wahl hätte, dann würde sie sich für Dr. Meinhardt entscheiden. Ohne Zögern.
»Das weiß ich auch. Du wirst sehen. Noch ehe diese Kreuzfahrt zu Ende ist, wird Carolin diesem Kerl den Kopf verdrehen.« Sie rieb sich in Vorfreude die Hände. Andrea ahnte Böses, verkniff sich aber jeglichen Kommentar. Wenn Lena sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog sie es auch durch. Da mochte kommen, was
Weitere Kostenlose Bücher