Das Lustschiff
befand sich auf einem Lustschiff. Bis vor kurzem hatte sie nicht einmal gewusst, dass etwas Derartiges überhaupt existierte. Mit einem Mal sah sie ihre Kollegen mit ganz anderen Augen, allen voran Kapitän Zeissner. Ob auch die Crewmitglieder hin und wieder die besonderen Möglichkeiten an Bord für sich in Anspruch nahmen? Der Gedanke behagte ihr gar nicht. Bei Wagenstein und Fiedler hatte sie nicht die geringsten Zweifel, dass diese Männer nichts anbrennen ließen. Im Grunde genommen ging sie das alles jedoch gar nichts an. Und dabei sollte es auch bleiben.
»Entschuldigen Sie?«, sprach sie plötzlich ein älterer Herr an, dessen Gesicht sie nicht auf Anhieb einordnen konnte. In der Regel stellte sich die Crew den Gästen an Bord vor, dennoch war es nicht möglich, sich jeden einzelnen Fahrgast zu merken. Bei 2500 Passagieren ein Ding der Unmöglichkeit.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Carolin freundlich.
»Ich sehe, dass Sie eine schöne Uniform tragen. Sie gehören wohl zur Crew?«
»Richtig. Ich bin Carolin Winter, die Sicherheitsoffizierin.«
»Sicherheitsoffizierin? Das trifft sich ausgezeichnet. Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«
»Gern. Worum geht es denn?«
»Ich kann meine Kabinentür einfach nicht abschließen. Aber es ist die richtige Schlüsselkarte, sie passt immerhin in dieses Gerät neben der Tür.« Der ältere Herr wirkte regelrecht verzweifelt und weckte Carolins Mitgefühl. »Zeigen Sie mir Ihre Kabine, ich sehe mir das mal an.«
»Sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank.«
Sie gingen gemeinsam zum entsprechenden Deck. Der ältere Herr zog die Karte durch den vorgesehenen Spalt, doch die Tür ließ sich nicht verriegeln, sondern ging immer wieder auf, wenn man die Klinke herunterdrückte. »Sehen Sie?«
Carolin nickte nachdenklich. Das war wohl ein Fall für den Techniker. Zum Glück hatten sie fähige IT -Experten an Bord.
»Darf ich es auch einmal probieren?« Sie wollte sich selbst davon überzeugen, dass das Schloss aufgrund von technischen Problemen versagte.
»Natürlich.« Der Mann drückte ihr seine Karte in die Hand. Carolin beugte sich vor, steckte diese in den Spalt und zog sie durch, als sie plötzlich einen sachten Druck an ihrem Hintern verspürte. Im ersten Moment glaubte sie, sich die Berührung nur einzubilden, aber dann wurde der Griff fordernder. Lass das nicht wahr sein, bat sie und fuhr wütend zu dem dreisten Passagier herum. Der erschrak so sehr, dass er sich verschluckte und sogar rot anlief.
»Was fällt Ihnen ein?«, schrie sie den in die Jahre gekommenen Lüstling an. Je oller, desto doller! Dieser Spruch stimmte in diesem Fall tatsächlich mal.
»Warum regen Sie sich denn so auf, Frau Winter?« Der Mann keuchte und lachte verlegen, lockerte seinen Kragen mit dem Finger. »Ich dachte, es würde Ihnen gefallen. Ich meine, immerhin sind wir auf einem Lustschiff. Liebe und Leidenschaft, damit haben Sie und Ihre Leute doch geworben.«
Carolin straffte die Schultern und atmete tief durch. Es lag augenscheinlich ein Missverständnis vor, denn der ältere Herr schien davon auszugehen, dass, nur weil sie sich auf einem Lustschiff befanden, jedes Crewmitglied auf eine heiße Affäre aus war.
»Hören Sie, Herr …?«
»Pan. Für Sie Eduard.«
»Herr Pan«, erklärte sie, denn sie wollte sich gewiss nicht auf Vertraulichkeiten einlassen. »Sehen Sie, Sie haben zwar recht, wir sind auf dem Lustschiff, aber die Crew ist nicht zu Ihrer lustvollen Befriedigung hier. Wir stehen sozusagen außerhalb des – nennen wir es – Angebots.«
Herr Pan seufzte gedehnt. »Das tut mir leid, dann habe ich wohl einen Fehler gemacht.«
Wie erleichtert Carolin war, dass er das einsah. »Ich kümmere mich um das Problem mit Ihrem Türschloss«, versicherte sie und wollte gehen, um nach dem Techniker zu suchen, als Herr Pan sie am Handgelenk festhielt. Sie war erstaunt, wie stark sein Griff war. Er wirkte nicht unbedingt wie ein Bodybuilder, nicht einmal wie jemand, der regelmäßig trainierte. Offenbar hatte sie in letzter Zeit ein wenig nachgelassen.
»Wollen Sie es sich nicht doch anders überlegen?«, fragte Herr Pan in einem säuselnden Ton und zog sie eng an sich. Carolin war viel zu überrascht, um sich ihm zu erwehren.
»Ich mag Frauen in Uniform«, verkündete er und betatschte ihr Rangabzeichen.
Schließlich gewann sie ihre Fassung zurück und versuchte sich von ihm zu lösen. Aber seine Arme legten sich besitzergreifend um ihre Taille, und er ignorierte
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