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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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will, wenn er fliehen muss?« fragte Rosa. Zacharias hatte sie noch nie berlinern gehört.
    »Nee, mir nicht.«
    »Vielleicht finden wir in der Wohnung etwas, das uns einen Hinweis gibt«, sagte Zacharias.
    Bärmann hob kurz die Hände.
    »Hat dieser Gustav Verwandte in Berlin oder Umgebung?« fragte Jogiches.
    »Weiß ich nicht.«
    »Dann sagen Sie uns doch bitte den Nachnamen von Gustav«, sagte Zacharias.
    »Tibulski«, sagte Bärmann.
    »Gut«, sagte Zacharias.
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte Rosa. Sie verließ den Raum.
    Bärmann knetete seine Finger, während sie warteten. Dann sagte er: »Was man macht, man macht es falsch.«
    »Jetzt nicht mehr«, erwiderte Zacharias. »Wir kriegen das hin, keine Sorge.«
    Bärmann schaute trübsinnig an die Wand. Zacharias verstand, was den Mann quälte. Der fühlte sich als Verräter, entweder an seinem Kumpan oder an Rosa.
    Die Tür ging auf, Liebknecht kam herein. Der reichte Bärmann die Hand, dann den anderen. »Die Genossin Luxemburg hat mich unterrichtet. Ich will Ihnen nur sagen, dass ich den Angriff auf die Reichskanzlei nicht befohlen habe. Das war eine Provokation der Revolutionsregierung, und man müsste verrückt sein, zu glauben, der Vorsitzende dieser Regierung stecke dahinter. Haben Sie das verstanden?« Liebknecht klang empört.
    »Ja, Genosse Liebknecht.«
    »Glauben Sie mir das?«
    »Natürlich, Genosse Liebknecht.«
    Liebknecht eilte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. »Verrückt!« sagte er laut, so dass sie es im Zimmer hörten. Bärmann zuckte zusammen. Er war beeindruckt, dass die berühmten Führer der Revolution mit ihm sprachen.
    »Genosse Bärmann, Sie können nach Hause gehen. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie mir sofort mitteilen, wenn Ihr Kollege Tibulski wieder auftaucht. Sind Sie damit einverstanden?« fragte Zacharias.
    »Aber Sie …«
    »Nein, wir tun ihm nichts. Und wenn sich wie zu erwarten herausstellt, dass Ihr Freund hereingelegt wurde, kann er nach seiner Aussage nach Hause gehen.«
    »Versprochen?« Er schaute Rosa an.
    »Versprochen«, sagte sie und gab ihm die Hand. »Dann gehen Sie jetzt.«
    Bärmann stand auf und schaute sich ängstlich um. Dann eilte er zur Tür und verschwand.
    »Es wird eng«, sagte Jogiches. Offenbar setzte er eine Diskussion fort.
    »Das wird es ohnehin«, erwiderte Rosa. »Wenn wir Friesland nachgeben, bekommen wir den Terror. Tun wir es nicht, versinken wir in der Anarchie. Ich hatte geglaubt, die Massen entwickeln eine eigene Vernunft, gerade die deutschen Arbeiter. Sozialismus ist doch Freiheit. Aber ich begreife inzwischen, dass die Arbeiter an die Stelle des Zwangs im Kapitalismus nicht die Selbstdisziplin setzen, sondern das Durcheinander, in dem jeder tut und lässt, was er will. Ich bin verantwortlich für Wirtschaft, aber glaubst du, ich habe eine Ahnung, wie es um die Wirtschaft steht? Wir haben Betriebe sozialisiert, aber die produzieren oder produzieren nicht. Was sie produzieren, entscheiden Betriebsräte o der Belegschaftsversammlungen oder Abteilungen in den Betrieben selbst. Wenn wir die Revolution retten wollen, müssen wir die Zügel anziehen, wie Clara sagt, Verantwortung zuteilen und die Leitung übernehmen. Aber soll ich jetzt in jeden Betrieb Deutschlands gehen und die Arbeiter überzeugen? Erinnerst du dich, Leo, 1905 in Polen. Was war das für eine Begeisterung! Wir haben immer geglaubt, die Polen seien die Anarchisten und die Deutschen diszipliniert. Es müsste doch ein Leichtes sein, mit diesen deutschen Arbeitern, jahrzehntelang erzogen im Sinn der Sozialdemokratie, den Sozialismus zu verwirklichen. Und jetzt wissen wir nicht einmal, ob die Arbeiter den Sozialismus wollen. Die da in den Räten palavern, sind das die Vertreter des Proletariats oder sind das selbsternannte Schreihälse, die der Krieg entwurzelt hat, die nun Krawall machen und ein bisschen weitermorden wollen? Weißt du noch, Leo, am 4. August, wie die Massen zu den Waffen drängten, darunter so gute Genossen, die Tage zuvor noch gegen den Krieg auf die Straße gegangen waren? Geben wir’s doch zu, die Massen haben den Sozialismus damals verraten, die internationale Arbeiterklasse hat sich abgeschlachtet, allen Bekundungen der Internationale zum Trotz. Und nun, wo wir endlich am Ziel sein könnten, lässt das Proletariat den Sozialismus wieder im Stich. Ich bin am Ende meines Lateins.« Sie war erschöpft und niedergeschlagen, wie jemand, der verzweifelt gegen eine Flut kämpft und

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