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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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weiß, dass sie ihn doch fortspülen wird.
    »Lass den Kopf nicht hängen. Du bist müde und krank. Es ist zuviel. Morgen sieht es schon wieder anders aus. Revolutionen gehen eigene Wege, sie folgen nicht unseren Bücherweisheiten.« Jogiches sprach wie ein Vater zu ihr.
    »Ja, ja«, sagte sie. »Entweder Terror oder Konterrevolution. Entweder Hölle oder Fegefeuer. Was für eine Auswahl! Die Genossin Luxemburg muss noch ein wenig an ihren Theorien feilen, die Wirklichkeit passt noch nicht dazu.«
    Auf dem Heimweg gingen Zacharias Rosas schwarze Gedanken durch den Kopf. Das kannte er auch, dass man verzweifelt war, alles in Trübsal getaucht und kein Licht am Horizont. Aber Rosas Verzweiflung berührte etwas in ihm, das ihn schon lang quälte. Wenn man den Geschichtsverlauf kannte und wusste, er würde immer zum Sozialismus führen, dann musste man entscheiden, wie es die historische Notwendigkeit verlangte. Aber wenn sich zeigte, dass die Arbeiter noch nicht reif waren für den Umsturz, dass sie mit der Macht nichts anfangen konnten? Lenin hatte gezeigt, die Revolution kam nicht von allein, die Gesetze der Geschichte verwirklichen sich durch die Taten der Menschen. Wenn man die Macht einmal ergriffen hatte in einer seltenen Konstellation der Kräfte, durfte man sie wieder aufgeben, wenn man nicht genug Unterstützung fand? Wenn man also zu früh war? Oder musste man die Massen erziehen und an ihrer Stelle handeln, bis sie reif waren, die neue Gesellschaft aufzubauen?
    In Russland hatten die Menschen bis zur Februarrevolution nur Unterdrückung und Ausbeutung erlebt, sie waren abgeschnitten gewesen von Kultur und Zivilisation. Vielleicht musste Lenin mit Gewalt regieren, denn wie soll man Menschen überzeugen, die nicht lesen können? Vielleicht entsprach die Diktatur der Bolschewiki der Mentalität der Russen, und die historische Notwendigkeit wählte einen krummen Weg, sich zu verwirklichen.
    Und doch war das Massentöten abstoßend. Musste es nicht diejenigen verändern, die es befahlen und ausführten?
    Aber in Deutschland war der bolschewistische Weg undenkbar. Fast schien es, dass die Mehrheit der organisierten Arbeiterklasse noch immer der Sozialdemokratie Eberts und Scheidemanns folgte. Also die Macht wieder abgeben? Dann würden die Freikorps über die Revolutionäre herfallen, wie sie es gerade in München taten. Unter dem Gejohle des Bürgertums färbten sie die Abwässerkanäle der Stadt mit dem Blut der Revolutionäre.
    Als er am Abend heimkam, fiel ihm ein, er hatte schon wieder vergessen, Geld mitzubringen. Aber Margarete sprach ihn nicht darauf an. Sie blickte ihm ins Gesicht und schwieg. Nach dem Essen drängte sie ihn, sich schlafen zu legen.
     
    *

Am Morgen sah die Welt freundlicher aus. Er hatte diese Nacht keine Albträume gehabt, und nachdem er gefrühstückt hatte, blendeten ihn die weißen Strahlen der Wintersonne. Seine schwarzen Gedanken schienen weit weg. Heute würde er Gustav Tibulski suchen, und wenn er ihn fand, würden sie ein paar Schritte weiterkommen. Tag für Tag, es hat keinen Sinn, weit in die Zukunft zu denken. Wir müssen unseren Laden im Innern in Ordnung bringen, dann haben wir eine Chance, gegen die Konterrevolution zu bestehen.
    Er wollte sich gerade auf den Weg machen, da klopfte es an die Wohnungstür. Margarete öffnete und kam mit Bronski wieder. Der lachte Zacharias freundlich an.
    »Guten Morgen, Genosse Zacharias. Darf ich mich einen Augenblick zu Ihnen setzen?« Er warf einen Blick auf Margarete und guckte dann Zacharias streng an.
    »Margarete, ob du …«
    Sie verließ die Küche, ihr Gesicht zeigte keine Regung.
    Bronski setzte sich, ohne aufgefordert worden zu sein. »Nun, Genosse Zacharias. Die Dinge stehen gut, finden Sie nicht auch?«
    »Gewiss«, sagte Zacharias.
    »Die Zentrale unserer Partei stützt den bolschewistischen Kurs. Wenn die Genossin Luxemburg klug ist, folgt sie der Mehrheit, so wie es der Genosse Liebknecht längst tut. Es geht drunter und drüber, da muss eine eiserne Faust dazwischenhauen.«
    »Wenn es so einfach wäre«, sagte Zacharias.
    Bronski hob die Augenbrauen, dann lächelte er. »Stimmt, manchmal drücke ich mich etwas schlicht aus. Ich bin ein Arbeiter, wissen Sie.«
    »Ich auch«, sagte Zacharias.
    Bronski kratzte sich an der Backe. Er rülpste leise, versuchte vergeblich, es zu unterdrücken. »Sie sind der Leiter dieser Untersuchungskommission. Der Genosse Dserschinski sagte, das sei doch so etwas wie die Keimzelle der

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