Das Luxemburg-Komplott
genauer gesagt, wir haben sie Ihnen geschenkt, und dann haben Sie binnen weniger Wochen Deutschland in den Abgrund geführt.«
»Das konnten wir nicht, das haben Sie schon erledigt mit Ihrem Krieg«, sagte Rosa.
Groener lächelte sie an und zwirbelte die Spitzen des Schnurrbarts in seinem Vierkantgesicht. »Ach, Frau Dr. Luxemburg. Der uns von unseren Feinden aufgezwungene Krieg hat gewiss großen Schaden angerichtet und uns viele Entbehrungen abverlangt. Aber Sie haben die Fundamente der Wirtschaft, des Staats und der Kultur zerschlagen. Und nichts Neues errichtet. Wir haben zugeschaut, und unsere Feinde haben es auch getan. Wir nehmen an, dass sie dankbar sein werden, wenn wir Deutschland vor dem Ansturm aus Asien retten. Und dass sie wissen, dass man ein Land, dem es so schlecht geht, nicht mit einem demütigenden Friedensvertrag ganz zerstören darf. Dass man seine Bürger sonst den Bolschewisten in die Arme treibt.«
»Sie behaupten, Sie hätten uns Revolution machen lassen, um die Entente milde zu stimmen?« Rosa schien gleich zu bedauern, dass sie ihr Schweigen gebrochen hatte.
»Das ist der eine Grund. Der andere ist, dass wir einfach der Welt vorführen wollten, wie es aussieht, wenn die berühmtesten Revolutionäre außer Lenin und Trotzki machen dürfen, was sie machen wollen. Wir haben Ihnen die Macht geschenkt. Und Sie sind versunken in der Anarchie, in Mord und Totschlag. Sie haben das schneller geschafft, als wir gehofft hatten. Nur der Herr Ludendorff hatte es richtig gesehen. Ich gebe zu, ich war skeptisch, ob wir nicht zu hoch pokern. Und unser Generalfeldmarschall von Hindenburg hat sich gar nicht darauf einlassen wollen. Wir mussten ihn bedrängen, und dann hat er gesagt, wir sollten machen, was wir wollten, er wolle damit aber nichts zu tun haben.« Er lehnte sich zufrieden zurück, strich sich über den Bart. »Nun sollte es ein für allemal vorbei sein mit den Revolutionsspielchen.«
»Aber Lenin und Trotzki sind noch an der Macht«, sagte Rosa.
»Natürlich. Wir haben ja auch sie an die Macht gebracht. Wir haben Lenin mitten im Krieg durch Deutschland nach Russland bringen lassen. Wir haben ihm und seinen Bolschewiki Millionen von Goldmark geschenkt, damit Russland aus dem Krieg ausscheidet. Und es hat geklappt. Lenin, das ist unsere beste Investition. Wobei die Bescheidenheit gebietet zu erwähnen, dass auch hier Herr Ludendorff der Pate eines großen Wurfs ist.«
»Und wie wollen Sie Lenin wieder loswerden? Sie können sich doch nicht damit abfinden, dass ein Sechstel der Erde rot ist.«
»Lenin macht es nicht mehr lange, er ist krank. Vielleicht fällt er auch einem Attentat zum Opfer. Und danach, was kommt danach?« Er lachte. »Die nach ihm kommen, Trotzki oder Sinowjew oder Stalin, die werden sich schnell zerstreiten. Und dann kracht der Laden in sich zusammen. Und wenn einer sich in den Diadochenkämpfen durchsetzt, dann wird er das Gewaltregime, das er von Lenin übernimmt, ausbauen, und er wird sich immer behaupten müssen, weil nur Lenin unanfechtbar war und die Partei zusammengehalten hat. Sowjetrussland ist ein Koloss auf tönernen Füßen. Wenn wir wieder stark genug sind, dann werden wir den Koloss wegräumen wie Abfall, der auf der Straße liegt.«
»Und nun?« rief Zacharias. »Was haben Sie vor mit der deutschen Revolution?«
»Dass Sie das fragen«, sagte Groener. »Sie sind dieser Herr Zacharias, der uns schon in die Quere kam, nicht wahr?«
Zacharias nickte. »Ich möchte wissen, wer die Genossin Luxemburg verraten hat.«
»Das wissen Sie doch längst.«
»Die Namen«, sagte Zacharias. »Die Namen! Ich will sie von Ihnen hören.«
»Die werden Sie von mir nicht erfahren. Nur dieses, wir mussten natürlich Informationsquellen in Ihren Reihen haben, sonst hätten Sie uns ja vielleicht überrascht. Aber die Namen, das meinen Sie doch nicht im Ernst.«
»Sie können sie sagen, Sie bringen uns doch sowieso um.«
»Natürlich werden Sie Ihre gerechte Strafe bekommen. Aber Sie glauben doch selbst nicht, dass ich hier die Namen dieser mutigen, wahren Deutschen verrate. Ich bin deutscher Soldat und kein Flintenweib.«
»Aber warum wollten Sie die Genossin Luxemburg überhaupt umbringen? Vorhin sagten Sie, Sie hätten uns machen lassen, was wir wollten.«
Ludendorff schüttelte den Kopf. Dass dieser Dummkopf es nicht begriff. »Herr Groener, Sie erlauben?« Er wartete Groeners Antwort nicht ab. »Wir hatten zunächst befürchtet, dass uns diese Revolution vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher