Das Luxemburg-Komplott
des Spartakusbunds, tritt aber nie an die Öffentlichkeit. Kommt aus Litauen, hat im zaristischen Gefängnis gesessen und hasst den Genossen Radek.« Er grinste. »Das kann man sich ja nicht vorstellen, dass einer den Genossen Radek nicht liebt. Nicht wahr, Sonja?«
Sonja lachte kurz auf.
»Er versucht, mir alte Geschichten anzuhängen, die heute so unwahr sind, wie sie es immer waren. Ein Revolutionär steht über solchen Dingen.« Er reckte sein Kreuz gerade und kicherte. »Leider hat Lenin ausgerechnet mich hierher geschickt. Ausgerechnet den Radek, so ein Pech.« Er lachte, es steckte Genugtuung darin. »Der Genosse Radek vertritt den ersten sozialistischen Staat der Welt, so ist das nun mal. Und der Genosse Radek, das ist niemand anderes als ich.« Er lachte.
»Ich habe die Genossen Luxemburg und Jogiches unterstützt auf ihrem Gründungsparteitag vor ein paar Wochen. Und als Jogiches die Flinte ins Korn werfen wollte, weil die Mehrheit gegen die Beteiligung an der Wahl zur Nationalversammlung war, da hab ich ihn beruhigt. Das sind Kinderkrankheiten. Besser revolutionäre Kinderkrankheiten als der gereifte Opportunismus der Scheidemänner. Aber gedankt hat mir die Hilfe niemand. Ich muss ja froh sein, dass sie nicht über mich herfallen. Ich bin Pole, Luxemburg ist Polin, und Jogiches gehört ja irgendwie auch dazu. Und wir kommen aus jüdischen Häusern. Und schlagen uns die Köppe ein, wie der Berliner sagt.«
Radek setzte sich hin und zündete sich eine weitere Zigarette an. Das Nikotin hatte ihm die Zähne gebräunt. »Warum erzähle ich Ihnen das?«
Zacharias antwortete nicht.
Radek stierte auf das Bild des Kronprinzen. »Weil es verrückt ist, aber auch wichtig. Sie werden früher oder später in diese lächerlichen Streitereien hineingezogen, wenn es Ihnen gelingt, Ihren Auftrag zu erfüllen. Je näher Sie der Genossin Luxemburg sind, desto mehr verwickeln Sie sich in diesen Unsinn. Erst der Sturm der Revolution wird alles wegblasen, die Eifersüchteleien, die Gehässigkeiten, das Getratsche, die Kränkungen.«
Nun sah Zacharias, wie erschöpft Radek war. An Lenins Mann in Berlin hing viel. Wenn die Revolution in Deutschland der russischen nicht half, dann war Radek schuld, jedenfalls in den Augen führender Bolschewiki wie Sinowjew und seines Freundes Kamenew. Wenn die deutsche Partei sich in eine weitere Niederlage putschte, dann war Radek schuld, auch wenn er davor gewarnt hatte. Sollte die deutsche Partei aber siegen, dann lag das Verdienst in Moskau.
Als hätte Radek Zacharias’ Gedanken gelesen, sagte er: »Der Genosse Sinowjew wird demnächst eine große Rolle spielen. Sie wissen, wir gründen die neue Kommunistische Internationale, und der großartige Grigori Jewsejewitsch wird ihr Leiter sein. Darauf würde ich jedenfalls Jogiches’ unversiegbares Vermögen setzen.« Er kicherte. »Lenin ist ohnehin zu stark belastet, und seine Gesundheit, Sie wissen ja. Trotzki ist unser oberster Kriegsherr, Dserschinski wacht über unsere Sicherheit, Swerdlow ist Lenins rechte Hand und muss es bleiben, Bucharin ist zu jung und wäre ein großartiger Chefredakteur, wenn er sich die ultralinken Flausen abgewöhnen könnte. Über diesen stumpfen Schweiger mit dem kindischen Namen Stalin müssen wir nicht reden. Also Sinowjew. Wenn es nach dem gegangen wäre, gäbe es keine Revolution. Er hat im Zentralkomitee dagegen gestimmt, er hat sowieso viel zu oft gegen Lenin gestimmt. Warum …« Er vollendete den Gedanken nicht.
Warum vertraute Lenin Sinowjew die neue Internationale an, der sich alle revolutionären Parteien unterordnen sollten? dachte Zacharias. Das war es, was Radek nicht begriff. Die Internationale war die Weltpartei, und Sinowjew würde ihr Führer sein.
»Wir sollten öfter miteinander reden. Sie erfahren Neues aus der Heimat und über die deutsche Partei. Das kann Ihnen helfen bei Ihrem Auftrag. Sie müssen ja nicht den Genossen Emissären aus Moskau auf die Nase binden, dass wir, sagen wir mal, kooperieren.«
Zacharias stutzte. Er überlegte, was Radek bezweckte. Er wollte Zacharias beeinflussen, dirigieren für die eigenen Ziele, die er mit der deutschen Partei hatte. Mit seiner Offenheit wollte Radek Zacharias’ Vertrauen gewinnen. Ich schenke dir Vertrauen und berichte aus dem bolschewistischen Nähkästchen, dafür schenkst du mir Vertrauen und berichtest mir, was du erfährst. Nicht umsonst hatte Lenin Zacharias gewarnt, nur auf Dserschinskis Weisungen zu hören. Aber was konnte
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