Das Luxemburg-Komplott
Dialektik besuchen«, lachte Rosa. »Ihr Helden. Außerdem müssen wir einen Vertreter nach Moskau schicken. Der soll verhindern, dass ein paar Desperados die Dritte Internationale gründen.«
»Mein Vorschlag: Wir schlafen jetzt. Morgen früh gehe ich Pieck suchen«, sagte Zacharias.
»Das kann ich doch machen«, sagte Wollitz.
»Sie machen schon genug«, sagte Zacharias. Er stellte sich vor, wie Wollitz der Polizei in die Hände fiel auf der Suche nach Pieck. Die würde ihn schnell weichklop fen. »Sie dürfen auf gar keinen Fall Neugier wecken. Gehen Sie zur Arbeit, und halten Sie sich aus allem raus.«
»Wie lange bleiben Sie?« fragte Wollitz noch einmal. Zacharias sah ihm an, der fühlte sich nicht wohl bei der Frage.
»So kurz wie möglich«, sagte Zacharias. »Sie können später Ihren Enkeln erzählen, Rosa Luxemburg habe bei Ihnen übernachtet. Kurz vor der proletarischen Revolution.«
Wollitz’ Gesicht spiegelte Stolz.
Wollitz trat Rosa das Schlafzimmer ab. Ihm reiche eine Decke auf dem Fußboden. Jogiches bestand darauf, dass Zacharias auf dem Sofa schlief. »Sie haben morgen einen schweren Tag. Ich kann später schlafen.« Zacharias legte sich auf das Sofa, Jogiches machte es sich auf einem Sessel bequem. Wollitz versuchte in der Diele zu schlafen.
Zacharias war müde und hoffte bald einzuschlafen. A ber dann hielt ihn ein Gedanke wach. Das Treffen mit Radek war aufgeflogen, dann wurden sie in der Dahlemer Villa überrascht. Beide Fälle waren durch einen Umstand verbunden. Der Umstand hieß Sonja. Wer kam noch in Frage? Nur er selbst. Ein Beweis war das nicht. Doch wenn Sonja ein Spitzel war, konnte sie die gesamte Führung der Partei vernichten. Der Verdacht quälte Zacharias.
Es war nicht die einzige Möglichkeit, die Polizei konnte ihnen auch anders auf die Schliche gekommen sein. Aber es war die naheliegende Möglichkeit. Beim Grübeln schlief er ein, und wieder kamen die schrecklichen Träume.
*
Kaum war Zacharias eingeschlafen, wurde er schon geweckt. Wollitz tippte ihm an die verwundete Schulter. Der Schmerz riss ihn aus dem Schlaf.
»Ich muss jetzt zur Arbeit«, flüsterte Wollitz.
Zacharias setzte sich auf. Er rieb die Finger aneinander, es tat weh, ein oder zwei Brandblasen öffneten sich. Er bewegte die Schulter. Am Anfang trieb ihm der Schmerz Tränen in die Augen, aber je länger er die Arme bewegte, desto beweglicher wurde die verletzte Schulter. Er schaute sich um. Jogiches saß krumm auf dem Sessel und schien zu schlafen.
Zacharias starrte auf den Boden und überlegte, ob es noch einen anderen geben könnte, der als Verräter in Frage kam. Er durchdachte die Ereignisse im Adlon und in Dahlem, und es fiel ihm niemand anderes ein als Sonja. Aber es gab natürlich noch weitere Genossen, die von Radeks Aufenthalt im Adlon wussten und von der Dahlemer Villa. Sonja konnte es auch jemandem erzählt haben, jemandem, dem sie vertraute. Solche Fehler werden immer wieder gemacht, Vertrauen ist der erste Schritt in den Tod. Zacharias schaute zu Jogiches, der hatte seine Haltung nicht verändert. Aber dann sah Zacharias, dass Jogiches blinzelte.
»Guten Morgen. Ich sehe, Sie sind wach. Wir müssen über zwei Dinge reden.«
»Bitte«, sagte Jogiches. »Reden Sie.« Er klang hellwach.
»Ich bin zweimal überrascht worden von der Polizei. Dabei bin ich sicher, dass mir niemand gefolgt ist. In beiden Fällen war Sonja dabei. Und ich.«
Jogiches schüttelte kaum sichtbar den Kopf.
»Mag sein, dass sie Radek überwacht haben. Dass sie herauskriegen wollten, mit wem er sich treffen wollte. Aber das bedeutete auch, das Risiko einzugehen, dass er ihnen entkam. Und dass sie sich damit um den Triumph brachten, den weltbekannten bolschewistischen Aufrührer zu fangen. Als Sonja mich nach Dahlem brachte, stellte sie fest, dass Sie und die Genossin Luxemburg tatsächlich dort waren. Prompt tauchten die Freikorpsleute auf. Und noch etwas: Erstaunlicherweise wurde ich aus der Polizeihaft entlassen, obwohl Lohmeier einige Indizien gegen mich in der Hand hatte. Genug für den ganz kurzen Prozess. Ich glaube, die ließen mich laufen, damit es nicht auffiel, dass sie auch Sonja freigelassen haben. Sie haben mir Spitzeldienste angeboten, aber nicht geglaubt, dass ich darauf eingehen würde. Sie haben es getan, um einen Vorwand zu haben, mich unauffällig loszuwerden, damit sie Sonja wieder auf Ihre Fährte setzen konnten.«
»Sonja ist die Tochter eines alten Genossen. Der hat zu Zeiten der
Weitere Kostenlose Bücher