Das Luxemburg-Komplott
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, ich weiß, ich weiß. Aber man kann es auch übertreiben. Warum fragen wir Sonja nicht?«
»Höchstens ich. Es widerspräche allen Erfordernissen der Sicherheit, wenn Sie Kontakt mit Sonja aufnähmen. Wenn Sie es wünschen, werde ich Sonja befragen«, sagte Zacharias.
»Sie sind voreingenommen«, sagte Rosa.
»Ich bemühe mich um Objektivität.«
Sie lachte leise. »Na, dann fragen Sie sie mal. Aber danach nehmen Sie Verbindung mit Pieck auf.«
»Und wenn sie tatsächlich eine Verräterin ist?«
»Dann hängen wir sie ab«, sagte Jogiches. »Sie weiß nicht, wo wir sind. Und wenn sie es nicht von Ihnen erfährt, zappelt der Fisch auf dem Trockenen. Ich weiß, dass in Russland solche Fragen anders geklärt werden. Aber wir sind hier nicht in Russland.«
Zacharias wollte antworten, dort habe immerhin die Revolution gesiegt, das spreche nicht gegen die dortigen Methoden. Aber er sagte nichts.
Er machte sich wieder auf den Weg. Als er vor Sonjas Haus stand, zögerte er, dann stieg er die Treppen hoch, bis er im vierten Stock den Namen Mandereit las. Er klopfte kräftig an die Tür, um seine Unsicherheit zu ü bertönen. Sie öffnete und schaute ihn an mit großen Augen. »Mit dir hatte ich nicht gerechnet. Komm herein.« Stimmt, sie duzten sich, seit Lohmeier sie verhaftet hatte.
Mit wem hatte sie gerechnet?
Es war ein kurzer Flur, an der Garderobe hing nur ihr Mantel. Im Wohnzimmer standen zwei Sessel an einem kleinen Tisch. An der Wand ein Regal mit Büchern, er erkannte Kautskys Schrift über das Erfurter Programm. »Nun, Genosse Zacharias«, sagte sie und bot ihm einen Sessel an.
Zacharias setzte sich. Er fühlte sich schlecht. »Du warst bei der Polizei«, sagte Zacharias.
Sie betrachtete ihn lange. Ihr Blick schien zu fragen, was er für einer sei. »Warum sollte ich dir Auskunft geben darüber?«
»Es geht nicht um mich, es geht um die Genossin Luxemburg.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Um die Genossin Luxemburg. Wenn die Genossin Luxemburg eine Antwort wünscht, dann sollte sie mich fragen. Ich hätte jetzt Zeit. Gehen wir zu ihr.« Sie sprach ruhig, aber Zacharias hörte Enttäuschung in ihrer Stimme.
»Du weißt, dass das nicht geht.«
»Was geht nicht?«
»Dass ich dich jetzt zur Genossin Luxemburg führe.«
»Weil du mich für einen Spitzel hältst.«
»Warum warst du bei der Polizei?«
»Warum bespitzelst du mich?«
»Ich bin verantwortlich für die Sicherheit der Genossin Luxemburg.«
»Das gibt dir nicht das Recht, eine Genossin des Verrats zu verdächtigen, die seit ihrer Jugend in der Bewegung arbeitet.«
»Warum beantwortest du mir nicht einfach meine Frage?«
»Weil es keine Frage ist, sondern eine Unverschämtheit. Und wenn ich dir antwortete, würdest du mir glauben?«
Sie hatte recht, er würde ihr nur glauben, wenn sie den Verrat gestand. Was würdest du tun an ihrer Stelle?
Sie stand auf und verließ den Raum. Einen Augenblick fürchtete Zacharias, sie würde fliehen. Aber sie kehrte zurück mit einem Blatt in der Hand. Sie gab ihm das Papier. »Vorladung« stand darauf. Er überflog das Papier. Darin stand nur, dass Frau Mandereit um neun Uhr auf dem Polizeipräsidium bei Kommissar Lohmeier zu erscheinen habe. Sie werde als Zeugin vernommen.
»Sie wollten etwas wissen über die Schießerei in Dahlem«, sagte sie.
»Einen Tag danach schon die Vorladung?«
»Ein Polizist hat sie mir noch in der Nacht gebracht.«
»Warum wurdest du nicht verhaftet?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht, weil die Polizei mir nicht nachweisen kann, dass ich in der Villa war und wusste, wer sich dort verbarg.«
»Wonach haben sie gefragt?«
»Nach dir.«
Es überraschte ihn nicht. Die Polizei wollte herausbekommen, wer geschossen hatte. »Kennen sie meinen Namen?«
»Sie wollten ihn von mir erfahren. Wollten wissen, wer sich außer Luxemburg und Jogiches noch in der Villa versteckte.«
»Und du hast es ihnen gesagt?«
»Sei nicht dumm. Ich wüsste allerdings gerne, wie die darauf kommen, dass ich in der Villa gewesen sein könnte.«
»Immerhin hat die Polizei dich zusammen mit Radek überrascht.«
»Dich auch, Genosse Zacharias. Wer garantiert mir, dass du kein Spitzel bist? Du tauchst plötzlich auf, willst gleich mitten hinein in die Parteiführung … «
»Hör auf! Hier geht es nur darum, dass du bei der Polizei warst und wir davon nichts wussten.«
»Wie soll ich dich informieren, wenn ich nicht weiß, wo du bist?«
Was redete er für
Weitere Kostenlose Bücher