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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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einen Unsinn? Zacharias hasste die Unsicherheit, die sich seiner bemächtigte. Er hatte nicht daran gezweifelt, dass sie eine Verräterin war. Aber jetzt wusste er nicht, was er von ihren Antworten halten sollte. Was sie sagte, klang überzeugend, es war widerspruchsfrei. Und sie hatte keinen Augenblick gezögert, bevor sie antwortete. Ihr Zorn schien ihm echt. Aber wenn sie nicht der Spitzel war, wer war es dann? »Wie erklärst du dir den Überfall gestern nacht in Dahlem?«
    »Du glaubst, ich habe der Polizei den Hinweis gegeben?« Sie lachte bitter, ihre Augen waren traurig. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was ihr widerfuhr. »Ist das alles, was du gegen mich in der Hand hast, dass ich wusste von dem Versteck und dass ich bei der Polizei war? Hast du das in Russland gelernt?«
    In Russland hätten wir nicht so lange diskutiert. Und lieber hundert Unschuldige erschossen, als einen Verräter unbestraft zu lassen. »Ich zähle nur eins und eins zusammen.«
    »Wenn du eins und eins zusammenzählst, bist du der Spitzel. Du hast Radek hochgehen lassen, du hast das Versteck in Dahlem verraten. Und du wirst Rosa dem Feind ausliefern, damit der sie umbringen kann. So geht die Rechnung, werter Herr Zacharias.«
    Sie schwiegen lange. Dann fragte sie: »Du hast in Russland bei der Polizei gearbeitet oder bei der Miliz, wie sie dort heißt?«
    »So ähnlich.«
    »Stimmt es, was man sich erzählt?«
    Er antwortete nicht.
    »Vom roten Terror.«
    »Was erzählt man sich denn?«
    »Dass im Zweifelsfall nicht gefragt, sondern geschossen wird.«
    »Es ist Bürgerkrieg in Russland. Da hat man keine Zeit zu fragen.«
    »Wie viele hast du getötet?«
    Er starrte auf den Boden und schwieg. Die Bilder waren nicht weit weg gewesen. Er wusste, er würde sie nie loswerden.
    »Es bedrückt dich. Aber hat die Revolution nicht das Recht, sich zu verteidigen?«
    Er zuckte die Achseln. Natürlich hatte die Revolution dieses Recht. Auch dann, wenn es bedeutete, die eigenen Ideale zu zerstören? Die proletarische Diktatur sei tausendmal demokratischer und humaner als die bürgerliche Demokratie, hatte Lenin gesagt. War sie es wirklich? Humaner, da sie ein Blutbad anzettelte, weil sie überleben wollte? Demokratischer, weil die Partei wusste, was die Massen wollten, auch wenn die Massen nicht wussten, dass sie das wollten?
    »Aus dir werde ich nicht schlau. Erst greifst du mich an, dann verteidigst du mich gegen meine Zweifel.«
    »Irgend jemand muss es ja tun.« Sie lächelte.
    »Du denkst zu einfach. Oder vielleicht versuchst du auch nur, einfach zu denken. Scheinbar macht es das Leben leichter. Weil aber die Wirklichkeit vielfältig ist, endet das einfache Denken in der Lüge. Warum hat die Polizei dich wieder gehen lassen?«
    »Sie konnte mir nicht nachweisen, dass ich in der Villa gewesen war.«
    Wenn sie überwacht wurde, konnte es eng werden für ihn. Und für Lohmeier ein Festtag. Aber jetzt war er in der Wohnung, getrieben von einem Verdacht, der sich allmählich auflöste. Oder verteidigte sie sich nur besonders geschickt? Fiel er herein auf ihre Schönheit? Er lehnte sich zurück, die Schulter schmerzte.
    »Du hast Schmerzen«, sagte sie.
    »Ein wenig.«
    »Soll ich dich verarzten? Ich hab das im Krieg gelernt.«
    »Ich verdächtige dich als Spitzel, und du verarztest mich.«
    »Vielleicht genieße ich es, dich wehrlos zu sehen.« Sie lachte und verließ das Zimmer. Als sie zurückkehrte, hatte sie Verbandszeug und eine Schere dabei. »Jetzt habe ich mich bewaffnet. Wo tut es weh?«
    Er zog Jackett und Hemd aus. Der Verband auf der Schulter war blutig. Sie entfernte ihn, er versuchte seinen Schmerz nicht zu zeigen. »Schöner Streifschuss, kenne ich. Dann warst du die Horde Bolschewisten in Dahlem, die dank ihrer überlegenen Zahl den tapferen Freikorpsleuten entkam mit Luxemburg und Jogiches im Schlepptau.«
    Er antwortete nicht. Sie verband ihn mit geschickten Fingern.
    »Und jetzt zeig mir mal deine Hände.«
    Er hielt sie ihr entgegen.
    »Wo hast du das her?«
    Er machte eine abfällige Handbewegung.
    »Du bist mir ein wahrer Geheimniskrämer. Ein paar Tropfen Jod bewirken Wunder.«
    Es brannte höllisch. Zacharias atmete zischend ein.
    »Es wird gleich besser«, sagte sie. »Dafür, dass du es mit der halben Ebert-Armee zu tun hattest, geht es dir ziemlich gut. Du hast Rosa und Jogiches gerettet. Deswegen schmeiße ich dich nicht raus. Ich habe das heute in der Zeitung gelesen und mir Lohmeiers Märchen

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