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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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explodiert war, drang Geschrei nach oben.
    Zacharias schüttelte es. Jetzt nicht die Nerven verlieren. Erst maßt du dir das Kommando an, dann drehst du durch. Du musst aushalten bis zum Ende.
    Ein Riesenknall, als eine Artilleriegranate im ersten Stock einschlug. Zacharias hörte Splitter an seinem Kopf vorbeizirpen. »Nach oben!« brüllte er. »Ganz nach oben!« Vielleicht konnten sie das Geschütz nicht so hoch richten.
    Sie schleppten Verletzte eine Etage höher. Der Mann, den sie im Wohnzimmer im ersten Stock auf den Teppich gelegt hatten, starrte Zacharias aus toten Augen an.
    Oben traf er Liebknecht. Der hatte einen wirren Blick. »Wir müssen kämpfen! Wir müssen kämpfen!« stammelte er.
    Zacharias packte ihn am Arm und zog ihn ins Wohnzimmer. Dort lagen Jogiches und Rosa auf dem Boden. »Legen Sie sich dazu!« herrschte Zacharias Liebknecht an.
    »Wir müssen kämpfen!« lallte er und sank zu Boden.
    Erst dachte Zacharias, Liebknecht sei verletzt, aber er war nicht getroffen, sondern am Ende seiner Kraft.
    »Das haben wir Ihnen zu verdanken, Zacharias!« sagte Jogiches. »Wenn Sie die Parlamentäre …«
    »Das haben wir den Freikorps zu verdanken und dem werten Genossen Noske«, sagte Zacharias. Er zwang sich, seinen Zorn zu unterdrücken, und schlug die Tür von außen zu.
    Er ging nach vorne und linste aus dem Küchenfenster hinunter. Sie richteten die Kanone auf die zweite Etage. Es sah so aus, als würde es ihnen gelingen. Die Soldaten arbeiteten ruhig, sie lachten und genossen schon den Sieg. Zacharias sah, wie sie das Geschütz luden, dann zog der Geschützführer ab. Zacharias warf sich auf den Boden. Die Granate schlug zu hoch ein, sie zerstörte Teile der Decke. Steinbrocken, Holzsplitter und Staub füllten die Küche. Zacharias rannte in den Nebenraum, das Schlafzimmer. Er schaute wieder hinaus.
    »Nimm sie unter Feuer!« brüllte er dem MG- Schützen zu.
    »Mit was?« brüllte der zurück.
    Zacharias nahm einen Karabiner, zog das Schloss zurück, um zu sehen, ob er geladen war. Noch ein Schuss wenigstens. Er zielte auf den Geschützführer und drückte ab. Vorbei. Kein Genosse hatte mehr Munition, und die Feinde merkten es. Jetzt würden sie das Geschütz in aller Ruhe seine Arbeit tun lassen, bis die Verteidiger tot waren oder aufgaben.
    Zacharias rannte auf den Flur, die Wache stand immer noch an der Treppe. Der Mann schüttelte den Kopf, sie versuchten nicht mehr, die Treppe zu stürmen. Warum auch, sie hatten Zeit. Zacharias überlegte fieberhaft, wie er Rosa, Liebknecht und Jogiches herausbringen könnte. Aber er fand keine Lösung. Es war zu spät. Er ging zu den Führern ins Wohnzimmer. Sie saßen nebeneinander auf dem Boden und lehnten sich mit dem Rücken an die Wand.
    »Immerhin haben wir es versucht«, sagte Rosa.
    »Wir müssen weiterkämpfen! Nur Feiglinge geben auf!« Liebknecht stammelte immer noch.
    Jogiches starrte Zacharias böse an. »Und nun?«
    Zacharias zuckte die Achseln. »Wir haben keine Munition mehr, nur noch ein paar Handgranaten.«
    »Nicht mal mehr Munition, um sich zu erschießen«, sagte Rosa. Sie schien ganz ruhig.
    »Wo ist Pieck?« stammelte Liebknecht. »Er wird uns retten!«
    »Und wenn wir aufgeben, vielleicht haben dann wenigstens die Genossen draußen eine Chance, sich zu retten«, sagte Rosa. Aber dann fügte sie an: »Es ist zwecklos, sie werden alle umbringen.«
    Wieder ein Granateneinschlag. Die Etage zitterte. Ein furchtbares Schreien klang aus dem Schlafzimmer. Zacharias rannte hin. Ein Splitter hatte einem Mann den Arm abgetrennt. Er blutete stoßweise sein Leben aus. Es dauerte nicht lang. Für den ist es vorbei. Der wird nicht misshandelt, nicht erschossen. Er ist ehrenvoll gestorben.
    Zacharias schauderte. Er versuchte sich an den eigenen Tod zu gewöhnen und wartete auf die nächste Granate. Der Staub setzte sich, da sah er in der Ecke gegenüber den MG-Schützen sitzen. Sie starrten sich an.
    »Warum hast du die Unterhändler erschossen? Damit fing die Scheiße an.«
    Zacharias winkte ab. Was sollte er sich so kurz vor seinem Tod noch herumstreiten? Ich habe mehr gelernt in Russland, als ich dachte. Wie soll ich es nennen? Bolschewistische Konsequenz? Das Unvermeidliche tun, auch wenn es verpönt ist? Parlamentäre erschießen, weil die Umstände sie in Spione verwandelt hatten? Eigentlich war Rosa schuld an ihrem Tod. Sie hätte sich nicht zeigen dürfen. Aber sie war unschuldig an den Bildern in seinem Kopf, die er aus Russland mitgebracht

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