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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Wenn sie nahe genug sind, ziehe ich ab.«
    Der MG-Schütze lachte leise. »Die werden sich wundern.« Es klang befriedigt. Jetzt waren sie ihren Feinden nicht mehr ausgeliefert. Sie lehnten nebeneinander an der Wand und warteten auf den Tod.

8
    M
    it dem ersten Morgenlicht fielen wieder Schüsse. Zacharias hörte den Abschuss der Kanone, das Haus zitterte unter dem Einschlag der Granate. Wieder ein Knall, wieder detonierte eine Granate im Haus. Menschen schrien, sie gerieten in Panik oder waren getroffen, vielleicht auch beides. Weitere Schüsse, im Treppenhaus knallte eine Handgranate.
    Zacharias wusste nicht mehr, wie lange sie schon dasaßen. Er konnte nichts mehr tun. Er war benommen und nahm kaum noch etwas wahr. Dann sagte der MG-Schütze plötzlich: »Komisch. Ich hör nichts mehr. Bin ich taub?«
    Als Zacharias nicht antwortete, schüttelte der Mann ihn an der Schulter.
    Zacharias öffnete die Augen, ihm war es, als erwachte er aus einem schlechten Traum. Er wollte die Hand wegschieben, die ihn schüttelte. Aber dann merkte er, dass es draußen still geworden war. Nur im Gang oder in irgendeinem Zimmer jammerten Verletzte. Zacharias stand auf und schaute vorsichtig aus dem Fenster. Er sah das Geschütz, aber keinen Soldaten. Ein Rauschen erklang irgendwoher. Sonst kein Geräusch, keine Bewegung. Die Sonne schien auf die leere Straße.
    Waren sie schon im Haus? Zacharias lauschte zur Treppe hin. Nichts. Außerdem stand dort der Wachtposten, der seine Handgranaten geworfen hätte, wenn sich jemand im Treppenhaus hätte blicken lassen. Das Rauschen von draußen wurde stärker. Inzwischen war der MG-Schütze aufgestanden. Gemeinsam starrten sie nach draußen.
    »Die sind weg«, sagte der MG-Schütze.
    »Vielleicht eine Falle«, erwiderte Zacharias.
    »Sie hatten uns doch schon im Sack. Da brauchen sie keine Falle mehr.«
    »Das ist doch seltsam, warum sind die weg?«
    »Was ist das für ein Geräusch?« fragte der MG-Schütze.
    Aus dem Rauschen waren Rufe geworden und Motorenlärm, dann einzelne Schüsse. Zacharias rannte zu den Führern. »Kommen Sie nach vorn! Schauen Sie sich das an. Da geschieht etwas Unglaubliches. Die Soldaten sind weg, statt dessen kommt eine Menschenmenge hermarschiert.«
    Sie stellten sich im Schlafzimmer ans Fenster. Zacharias erkannte ein Transparent mit der Aufschrift »Be triebsrat Elektrokohlenfabrik«. Es folgten weitere Transparente, die aber noch nicht zu entziffern waren. Fahnen der USPD wurden getragen, dann sah Zacharias auch welche der eigenen Partei. Vorn im Zug gingen Männer mit Gewehren. Noch vor ihnen rollten gepan zerte Fahrzeuge. Keiner in der Wohnung sagte ein Wort.
    Jetzt erkannte Zacharias Pieck und Friesland. Und da war Bohn, mit einem Verband um den linken Oberarm. Er war also durchgekommen.
    Sie warteten oben, was geschah, wie gefesselt von dem Anblick der Masse, die gekommen war, ihnen das Leben zu retten. Sie waren zu schwach, um die Treppen hinunterzulaufen. Dann Schritte im Treppenhaus. »Wer da?« rief der Wachtposten. Zacharias hetzte zu ihm und riss ihm die Handgranate weg.
    »Das sind unsere.«
    Der Mann schaute ihn an wie ein Wesen von einem fremden Stern. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen und wollte es hinter sich bringen. »Unsere?«
    »Das sind Genossen, du Idiot!« Zacharias lachte laut, fast hysterisch.
    Plötzlich lachte der Mann mit. Er umarmte Zacharias. »Genossen«, sagte er, als hörte er das Wort zum ersten Mal. »Genossen.«
    Pieck und Friesland waren die ersten, die erschienen. »Wo sind Luxemburg und Liebknecht? Wo Jogiches?« fragte Pieck aufgeregt.
    Zacharias deutete mit dem Daumen hinter sich.
    Friesland schlug Zacharias auf die Schulter. »Wurde Zeit, nicht?«
    Zacharias schluckte, er wollte nicht, dass jemand seine Tränen sah.
    »Dieser Bohn ist ein feiner Kerl«, sagte Friesland. »Hat sich den Arm durchschießen lassen und ist doch gekommen. Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Wut die Leute haben. Ebert und Groener verschwören sich gegen die Revolution. Der ehemalige Volksbeauftragte Ebert, jetzt sitzt er in Weimar und darf zittern. Der Arbeiter-und-Soldaten-Rat hat beschlossen, dass er die Macht in Berlin übernimmt. Er ruft die Arbeiter im Reich auf, es ihm nachzutun. Das Geheimabkommen, das war der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ.«
    Menschen drängten sich nach oben. Sie suchten Liebknecht und Luxemburg. Es waren Delegationen von Berliner Betrieben. Namen wurden genannt, meistens von Unternehmen, deren

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