Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
Vom Netzwerk:
Belegschaften die Revolution unterstützten. Zacharias hörte die Namen vieler Berliner Großbetriebe wie der AEG, der Berliner Maschinenbau-AG, der Siemens-Schuckert-Werke, der Knorr-Bremse, der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, der Carl Flohr Maschinenfabrik. Vor den Arbeitern der Berliner Großunternehmen waren die Freikorpssöldner geflohen. Ein Betriebsrat berichtete, Hugo Haase, der Vorsitzende der USPD, habe erklärt, seine Partei sei die führende Kraft der Revolution. Alle revolutionären Kräfte müssten zusammenhalten, sonst triumphiere wieder die Reaktion.
    Zacharias drängte sich vor. Er sah, wie die Parteiführer mit den Abordnungen aus den Betrieben diskutierten. Er verstand nicht viel, nur Fetzen. Revolutionsregierung. Räte. Bewaffnung der Arbeiter. Besetzung von Telegrafenämtern und Banken. Die Entente. Dann hörte er: »Zum Reichstag! Dort wird die Revolutionsregierung gewählt, in zwei Stunden.«
    »Wir brauchen einen Wagen!« brüllte er und drängelte sich näher heran an Rosa. »Ich versuche einen Wagen zu kriegen!« rief er ihr ins Ohr. Sie nickte.
    Die Menschen drängten sich die Treppe hinunter. Zacharias hielt einen Betriebsrat vom Kraftwerk Rummelsburg am Arm fest. Der Mann fuhr herum, Zacharias hob besänftigend die Hand. »Habt ihr einen Wagen für die Genossen Luxemburg und Liebknecht?«
    »Ich besorg einen. Steht nachher vor der Tür!« Der Mann strahlte wie ein Kind vorm Weihnachtsbaum.
    In seinem Gesicht spiegelte sich die neue Zeit. Die Freude dieses Arbeiters sagte: Die Revolution hat begonnen. Nun haben wir es in der Hand. Erst die glückliche Rettung, dann der tapfere Bohn, ohne dessen Opferbereitschaft nichts von dem geschehen wäre, was nun geschieht. Zufall und Notwendigkeit. Wie es scheint, setzt sich die Notwendigkeit mittels Zufällen durch. Das werde ich mal Rosa sagen. Und sie wird mir einen Vortrag halten, bis mir das Hirn raucht, über Dialektik, Klassenkampf und die Revolution als Universität der Massen. Jetzt merkte Zacharias, dass er lachte, so laut, dass sich manche zu ihm umdrehten. Er wollte aufhören, konnte es aber nicht. Dann brach er zusammen.
    Als er aufwachte, lag er auf einer Liege in einem Zimmer. Die Tür stand offen. Draußen hasteten Menschen hin und her, ab und zu steckte einer seinen Kopf herein, als ob er jemanden suchte. Worte schwirrten durch die Gänge und Räume. Räte, Volkskommissare, Rote Armee. Zacharias richtete sich auf, da spürte er seine Schwäche. Dennoch setzte er sich auf die Kante der Liege. Eine junge Krankenschwester kam herein. »Haben Sie ausgeschlafen?«
    »Wo bin ich?«
    »Im Reichstag. Ich wollte Sie ja ins Krankenhaus …«
    Zacharias stand auf. Ihm schwindelte, er setzte sich wieder hin.
    »Erst etwas essen und trinken«, sagte die Krankenschwester. Sie hatte ihre dunkelbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, auf dem Kopf trug sie eine weiße Haube.
    Zacharias beobachtete durch die offene Tür das Treiben im Gang. Er hörte Stimmen, manche Männer riefen oder brüllten. Er verstand »Radek«. War Radek frei?
    »Radek kommt!« brüllte einer. Zwei Männer stellten sich in die Tür, einen glaubte Zacharias schon einmal gesehen zu haben.
    »Weißt du, was er gesagt hat, als die Genossen ihn aus dem Gefängnis holten?« fragte der eine.
    »Nee.«
    »Genossen, es wurde gerade unterhaltsam. Ihr verderbt mir wirklich alles.«
    Die beiden lachten.
    »Erst wollte er gar nicht mit. ›Ihr glaubt nicht, wer mich nachher besuchen wird, und da soll ich dieses Hotel schon verlassen?‹«
    Sie lachten wieder.
    »Wenn das mal stimmt«, sagte der andere.
    »Wenn nicht, ist es gut erfunden.«
    Sie zogen weiter. Die Schwester kam mit einem Tablett. Zacharias aß wenig und trank etwas. »Sie sollten versuchen zu schlafen.«
    »Ich soll die Revolution verschlafen? Was sind Sie denn für eine?«
    Die Schwester schüttelte den Kopf, aber Zacharias sah das Lächeln in ihrem Gesicht. Er stand auf, es ging besser. Mit unsicherem Schritt trat er auf den Gang. Eigentlich bin ich längst tot. Vielleicht sehe das nur ich, die Menschen sind glücklich heute. Er folgte dem Strom, der zog ihn in den Plenarsaal.
    Im Präsidium saß ein weißhaariger alter Mann. Zacharias kannte das markige Gesicht seit vielen Jahren. Es war Georg Ledebour, der SPD-Linke, der im Krieg die USPD mitgegründet hatte. Er saß auf dem Sessel des Reichstagspräsidenten, als hätte er schon immer da gesessen. Er klopfte mit dem Hammer auf den Tisch, fand aber kein

Weitere Kostenlose Bücher