Das Luxemburg-Komplott
der Genosse, der auf die Genossin Luxemburg aufpasst?«
»So ungefähr.«
»Jogiches sagt, wir sollen mit Ihnen reden, wenn es um Sicherheitsfragen geht.«
»Wenn der Genosse Jogiches es sagt.« Zacharias ü berlegte, was er davon zu halten hatte. Im Spartakusbund und der KPD hatte sich niemand um Sicherheitsfragen gekümmert. In der USP war Däumig verantwortlich, er steuerte einen Nachrichtendienst, von dessen Berichten sie abhingen. Er konnte nicht gleichzeitig Luxemburgs Leibwächter sein und verantwortlich für Sicherheitsfragen. Ihn drängte nichts, seine russischen Erfahrungen zu wiederholen. Natürlich, sie brauchten eine deutsche Tscheka. Aber würden sie auch den Terror benötigen?
Plötzlich strömten die Genossen zur Tür.
»Es geht los«, sagte Däumig. »Wir müssen uns bald einmal gründlich unterhalten. Nach der Regierungsbildung.«
Auch Zacharias kehrte zurück in den Plenarsaal. Diesmal fand er keinen Sitzplatz, so lehnte er sich an die Rückwand, von wo aus er alles gut im Blick hatte. Während die führenden Genossen des Rats und der revolutionären Parteien sich auf die Regierungsbänke setzten, bedachte Zacharias, was Däumig ihm berichtet hatte. Sie hatten wohl in Berlin derzeit die Massen hinter sich, in anderen Großstädten auch. Aber auf dem Land und in vielen anderen Städten herrschten Großgrundbesitzer und das Bürgertum. Die Arbeiterklasse musste nun versuchen, die armen Bauern für sich zu gewinnen. Auf die russische Art, indem die Regierung den Großgrundbesitz enteignete und verteilte unter den Bauern. Aber wieder griff die Erinnerung nach Zacharias. Auf die russische Art, das hieß am Ende mit Gewalt.
Ledebour klopfte mit dem Stuhlbein auf den Präsidiumstisch. Ein fetter Mann, der neben Zacharias stand, spuckte Kautabak auf den Boden. Er wischte sich den Mund am Ärmel ab und sagte: »Nun geht es den Kapitalisten an den Kragen.«
Wo mochte der Mann herkommen? Überhaupt war sich Zacharias nicht im klaren darüber, ob alle Anwesenden Delegierte des Berliner Arbeiter-und-Soldaten-Rats waren. Niemand prüfte die Vollmachten der Leute, die nun eine neue Regierung wählen würden.
Es stellte sich wieder Haase hinters Rednerpult. Er verlas den Vorschlag, den die Führer im Hinterzimmer ausgehandelt hatten. Demnach kandidierte Liebknecht als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare, Luxemburg erhielt das Wirtschaftsressort, Verteidigung und Inneres Däumig, Justiz und Stellvertreter Liebknechts Haase, Propaganda Dittmann, Äußeres Barth, der als Vertreter der Revolutionären Obleute in die Regierung eintrat. Auch die anderen Ressorts gingen an prominente Vertreter von USP und KPD.
Die Delegierten applaudierten. Zacharias wusste, sie hätten auch jedem anderen Vorschlag zugestimmt. Sie vertrauten den Revolutionsparteien und unterwarfen sich ihrer Führung. Das deutsche Proletariat war es gewohnt, von Menschen geführt zu werden, die behaupteten, den Gang der Geschichte zu kennen.
Uneinigkeit kam auf, als ein Delegierter verlangte, auch Vertreter der SPD zum Eintritt in die Regierung aufzufordern. Pfeifen und Johlen waren die Antwort. Ledebour fragte, ob es weitere Vorschläge oder Einwände gebe. Niemand meldete sich. Dann fragte er, wer dem Vorschlag für den Rat der Volkskommissare zustimme. Alle hoben die Hand. Niemand stimmte dagegen, als Ledebour danach fragte, und niemand enthielt sich der Stimme. Beifallsstürme. Hoch die Revolution! Hoch die Revolutionsregierung! Schreie und Tumult.
Dann sah Zacharias Liebknecht am Rednerpult. Er streckte die Hände nach oben, um sich Gehör zu verschaffen. Mit hochrotem Kopf schrie er an gegen die Begeisterung. Allmählich wurde es leiser.
»Genossen! In dieser historischen Stunde erklärt der Rat der Volkskommissare die Regierung Ebert und Scheidemann für abgesetzt. Die sogenannte Nationalversammlung ist aufgelöst.«
Dröhnender Beifall.
»Die Mitglieder dieser Regierung und die führenden Vertreter der Nationalversammlung sind zu verhaften.«
Beifall, noch lauter.
»Eine der ersten Aufgaben des Genossen Haase wird sein, ein Volkstribunal einzurichten und die Verräter an der Sache der Arbeiterklasse anzuklagen.«
Beifall. Zacharias blickte zu Haase, dessen Gesicht war kreidebleich.
»Der Genosse Däumig, unser Kommissar für Verteidigung und Inneres, hat den Auftrag erhalten, Weimar zu erobern und die Köpfe der Konterrevolution zu verhaften.«
»Abschlagen! Köpfe abschlagen!« Ein anderer schrie: »Da braucht es keinen
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